Sich richtig mit Geld anlegen 27.04.2006, Weltwoche

Sich richtig mit Geld anlegen
Haus? Kunst? Öl? Aktien? – Tipps, um nicht wie ein Anfänger zu enden. 27.04.2006, Weltwoche
­Um eines Morgens als Millionär aufzuwachen, braucht man achtzig Jahre. Aber dann klappt es. Oder besser: Es hätte geklappt, rückwärts gesehen. Man musste nicht einmal in die Ferne schweifen. Es hätte genügt, das zu tun, was im Kapitalismus nahe liegt: Aktien kaufen. Man durfte sogar jene Aktien wählen, die uns am nächsten sind: Schweizer Aktien. Und man musste nicht unendlich viel Spielgeld frei haben. Es hätte gereicht, wenn man im Jahre 1925 zwei Tausendernoten parallel zum Schweizer Aktienindex angelegt hätte. Dann wäre man heute 1,1-facher Millionär, wie die Genfer Bank Pictet, gegründet 1905, in einer Langzeitstudie aufzeigt.Bei dieser Rechnung gilt es einschränkend zu korrigieren: Ein schöner Teil der gewonnenen Million wäre mit der Inflation zerronnen. Aber selbst wenn man die Teuerung berücksichtigt, haben sich die ursprünglichen zwei Tausender in 180 Tausendernoten verwandelt. Also hat sich der Einsatz verneunzigfacht ­ real, nach Abzug der Teuerung, innert siebzig Jahren. Eine schöne Bescherung.Davon können die meisten Leute nur träumen. Entweder haben sie 1925 noch nicht gelebt, oder sie hatten damals gerade keine zwei Tausendernoten übrig. Aber keine Sorge. Es gab in der Zwischenzeit weitere günstige Gelegenheiten, sofern man sich emotionslos, aber stur am Schweizer Aktienindex orientiert hat; dann gab es genaugenommen überhaupt nur günstige Gelegenheiten. Wer 1965 einstieg, hat seinen Einsatz bis heute verzehnfacht, wieder nach Abzug der Teuerung. Wer es 1995 tat, hat ihn verdreifacht, ebenfalls real. In einer einzigen kurzen Phase wäre man aus heutiger Sicht besser abseits gestanden: um die Jahrtausendwende herum, als vom Sommer 2000 bis Frühling 2003 fünf Crashs hintereinander folgten, womit sich Verluste aufsummierten, die unterdessen auch schon (fast) wieder wettgemacht sind.Sichere Rente

«Kapitalbildung», lehrt Konrad Hummler, Teilhaber der St. Galler Privatbank Wegelin, gegründet 1741 (siehe Interview Seite 76), «Kapitalbildung braucht keine übermässigen Sparanstrengungen, sondern vor allem Zeit.» Dann kommt ein Effekt zum Spielen, den man «Zinseszinseffekt» nennt und der bei allen Entwicklungsprozessen spielt: Wächst «etwas» jedes Jahr um 8 Prozent, dann verdoppelt sich dieses «etwas» alle 9 Jahre. Wer zwischen dem 20. und dem 25. Altersjahr, also während sechs Jahren, jedes Jahr zwei Tausendernoten in den Schweizer Aktienindex investiert, hat, falls sich jedes Jahr eine Rendite von 8 Prozent einstellt, mit 65 Jahren so viel Kapital auf der Seite wie eine andere Person, die erst mit 32 Jahren beginnt, aber von da an bis ins Alter von 65, also während 34 Jahren, jährlich ebenfalls zwei Tausendernoten in den Schweizer Aktienindex legt. Beide werden am Ende über etwa 320000 Franken verfügen.

Aus dieser simplen Mathematik kann man nur eine Lehre ziehen: möglichst früh anfangen. Freilich haben die meisten Leute im jugendlichen Alter von 20 bis 25 Jahren anderes im Kopf, als im langjährigen Schnitt mit Aktien jährlich 8 Prozent zu verdienen. Selbst Profis geben zu bedenken, dass eine solche Rendite «nicht gewiss, sondern lediglich wahrscheinlich» sei. Das klingt vage, und vor allem glauben es die Leute erst, wenn es zu spät ist: dann, wenn sie die Wahrscheinlichkeit am Kursverlauf, wie er in ihrem eigenen Leben stattgefunden hat, überprüfen und feststellen, die jährlich 8 Prozent Aktienrendite wären eingetroffen.

Aus dem Rahmen

Absolute Sicherheit hingegen gibt es nur, wenn man sein Geld einbunkert, was im Staate Schweiz machbar ist. Bundesobligationen sind hundertprozentig angstfrei, es gibt auf der Welt keinen besseren Schuldner als die Eidgenossenschaft. Doch wer vor siebzig Jahren seine zwei Tausender, statt sie in den hiesigen Aktienindex zu investieren, in einheimischen Bundesobligationen platziert hat, sitzt heute auf lediglich 70000 Franken ­ und müsste nochmals hundert Jahre warten können, um eines Morgens als Millionär zu erwachen.

Also nichts wie los, Schweizer Aktien kaufen? Um diese ruhen zu lassen? Für Jahrzehnte? Das klingt etwas bieder und banal, zumal es sich um eine lange Zeitspanne handelt, während deren man auch seinen Spass haben kann. Darum investieren manche Leute lieber in Kunst und prahlen an Partys, dass man auch mit solchen Einsätzen langfristig sehr viel Geld hat herausholen können. Tatsächlich wäre Picassos «Junge mit Pfeife» vor fünfzig Jahren für 30000 Franken zu haben gewesen; am 6. Mai 2004 wurden 104,2 Millionen US-Dollar im Auktionshaus Sotheby’s in New York geboten. Ein zwischenzeitlicher Rekord ­ und zugleich eine der besten Geldanlagen der Geschichte. Aber selbstverständlich gab und gibt es zu allen Epochen viele bunte und zugleich günstige Kunstwerke zu entdecken, selbst in der Schweiz. Wer vor Jahren schon auf Fischli/ Weiss, Pipilotti Rist, Franz Gertsch, Sylvie Fleury, Ugo Rondinone gesetzt hat, bereut heute sicher nichts.

Zwei Ökonomen der New York University, Jiangping Mei und Michael Moses, erfassen die Preissteigerungen im Kunstmarkt systematisch. Analog zu den Auktionen von Christie’s und Sotheby’s publizieren sie den «Mei Moses Annual Art Index». Und tatsächlich: Dieser Kunst-Index ist seit 1953 knapp stärker angestiegen als der US-amerikanische Aktienindex S&P 500 Total Return.

Also auf zu Sotheby’s und Christie’s oder in die Galerien von Hauser & Wirth und Stampa? «Moment», warnt der deutsche Statistiker Walter Krämer in seinem Bestseller «So lügt man mit Statistik». Die in Auktionshäusern und Edelgalerien verkauften Gemälde sind nicht zufällig ausgewählt, im Gegenteil. Hier werden die Rosinen herausgepickt. Hier kommen jene Kunstwerke unter den Hammer, in die es sich früher gelohnt hat, sein Geld zu investieren. Der grosse Rest der einstigen «Entdeckungen» aber, die ursprünglich ebenfalls für gutes Geld gekauft wurden, inzwischen aber mehr oder weniger vergessen sind, dieser grosse Rest erscheint in keiner Statistik. «Wer schöne Bilder liebt, sollte sie kaufen und sich daran freuen», kommentiert Krämer trocken. «Reich wird man dadurch nicht.»

Warnung vor dem Hedge-Fund

Es ist also ein klassischer Kurzschluss, wenn man behauptet, «Bilder rentieren besser als Aktien». Nur: Solche Kurzschlüsse kursieren nicht nur in gehobenen Kunstkreisen, sondern auch im knallharten Finanzbusiness. Zum Beispiel rund um die sogenannten Hedge-Funds, die seit der Jahrtausendwende überall hoch im Kurs sind. Was ist ein Hedge-Fund? Eine gute Frage, auf die selbst Fachleute keine klare Antwort wissen. «Kaum zwei dieser Fonds oder Portfolios machen wirklich dasselbe», antwortet Bestsellerautor und Mehrfach-Finanzverwaltungsrat Erwin W. Heri in seinem Ratgeber, der unter dem Titel «Moden und Mythen an den Anlagemärkten» erschien. «Das einzige Gemeinsame der Hedge-Funds ist, dass sie mit allen möglichen Instrumenten, ohne wesentliche Restriktionen und Regulierungen und oft ziemlich intransparent arbeiten können und wollen.»

Für Laien sind Hedge-Funds nicht durchschaubar. Zudem fallen stattliche Gebühren an, die ebenfalls nicht sauber ausgewiesen werden. Auf alle Fälle schöpfen die Finanzinstitute einen Teil des von ihren Kunden erhofften Gewinns für sich selber ab. Doch das dicke Ende kommt erst: Meist ist nicht einmal die bisherige Leistung der Hedge-Funds überprüfbar. Hier läuft nämlich das genau gleiche Täuschungsmanöver ab wie auf dem Kunstmarkt: Alle Kenner brüsten sich mit den Perlen, die märchenhaft rentieren; und niemand redet von den gefallenen Engeln. Niemand erwähnt, dass in einem einzigen Jahr bis zu 20 Prozent der Hedge-Funds ihre Tätigkeiten schlicht einstellen. Dass in den vergangenen fünf Jahren mehr als ein Drittel aller Hedge-Funds verschwunden sind, still und heimlich. Und dass man ein System, in dem sich jedes dritte Los als Niete herausstellt, unter andern Umständen als Lotterie bezeichnet.

Teure Mutter Erde

Wie wär’s stattdessen mit etwas richtig Fundamentalem? Mit Rohstoffen? «Insgesamt rentieren Rohstoffe langfristig ähnlich wie Aktien», sagt Tobias Merath, Analyst der Credit Suisse, gegründet 1856. «Seit 1990 weisen Rohstoffe sogar eine höhere Rendite auf als Aktien.» Ablesen könne man das etwa am Commodity-Index des US-amerikanischen Finanzinstituts Goldman Sachs, gegründet 1869. Demnach hat sich eine Tausendernote, die man zu Beginn des Jahres 1988 investiert hatte, bis heute zu sechs Tausendernoten vermehrt. Eine vorzügliche Leistung.

Dahinter steckt allerdings keine Steigerung der Wertschöpfung, sondern eine Verknappung der Ressourcen. Verdreifacht sich der Preis von Öl, wie es in letzter Zeit geschehen ist, treibt das den Commodity-Index tatsächlich in die Höhe. Aber man tut gut daran, sich daran zu erinnern, dass der Preis aus ökonomischer Sicht nichts anderes ist als ein Signal für Knappheit. So auch beim Öl. Das sei «voraussehbar» gewesen, heisst es heute oft. Nur ist der berühmte Bericht des Club of Rome seit 1972 öffentlich publiziert, in der Zwischenzeit haben wir genau drei «Ölkrisen» erlebt, deren Besonderheit bei den ersten beiden Erscheinungen darin bestand, dass die Preise anschliessend tief gefallen sind. Selbstverständlich darf man diesmal wieder auf einen anhaltenden, sich womöglich verschärfenden Engpass spekulieren, so wie man auch auf jedes Pferd wetten kann, das an einem Rennen teilnimmt.

Bisweilen wetten gewisse Leute sogar auf sich selber. Mit gepumpten Dollars versuchten die Gebrüder Hunt aus Texas, die ursprünglich mit Zucker reich geworden sind, 1980 den Markt des Silbers künstlich zu verknappen. Prompt kam es zu einer Rally, in deren Verlauf der Preis von 6 auf 50 Dollar pro Unze explodierte. Ein kurzes Strohfeuer, das nach ein paar Wochen ausgebrannt war; denn die Gebrüder Hunt hatten nur einen Fünftel der jährlichen Silberproduktion kontrolliert ­ zu wenig, um den Preis nachhaltig nach oben zu drücken. Silber lässt sich kaum vergolden, wissen wir seither.

Trotzdem wiederholt sich die Geschichte, aber wenigstens in abgeschwächter Form. 1998 gab der amerikanische Milliardär Warren Buffett, angeblich der zweitreichste Mann der Welt, bekannt, er habe sich einen Fünftel der Weltproduktion gesichert. Prompt schoss der Silberpreis wieder hoch, aber von 5,50 Dollar diesmal nur auf 7,35 Dollar, um ebenso schnell wieder einzubrechen. Inzwischen nähert sich der Preis wieder der Grenze von acht Dollar, denn neu ist auch Bill Gates, angeblich der reichste Mann der Welt, ins Business eingestiegen.

Wer langfristig aus Geld mehr Geld machen will, spekuliert besser nicht auf kurzfristige Knappheiten, sondern setzt auf die klassische Wertschöpfung. Wer von der Zukunft des Öls überzeugt ist, sollte statt in den Rohstoff in Aktien von Ölbohrgesellschaften investieren; wer an die Zukunft des Kupfers glaubt, in Aktien von Kupferminen; wer mit einer nächsten Silber-Rally rechnet, investiere wie Bill Gates in einen Silberproduzenten (Pan American Silver). Das Risiko bleibt gross genug. Den schlechtesten Deal seines Lebens, den Tito Tettamanti, Tessiner Financier und Mitbesitzer der Weltwoche, getätigt hat, war eine Investition in eine Goldgrube in Südamerika. «Ein Kollege aus den USA hat mich zu diesem Investment überredet. Nach dem Geschäft habe ich den Spruch von Mark Twain verstanden: Eine Goldgrube ist ein Loch, bei dem ein Lügner oben steht.»

Bundesobligationen? Damit wird niemand reich. Kunst? Ist attraktiv, aber nur für Leute, die diese Art der Kapitalanlage ästhetisch zu schätzen wissen. Hedge-Funds? Sind etwas für Leute mit einem Drang zum Roulette. Rohstoffe? Etwas für Spekulanten, Lügner und die letzten überlebenden Anhänger des Club of Rome. Was also bleibt?

Feste Werte

Eine Anlage, die nicht nur solid ist und bodenständig, sondern sogar Freude bereiten kann, sobald man sie nämlich selber bewohnt: Immobilien! Man muss schon wieder nicht in die Ferne schweifen, es liess sich auch mit Schweizer Boden, Villen, Geschäftshäusern aus Geld mehr Geld machen. Zwar stürzten von 1990 bis 1993 die Preise ein, abrupt und ähnlich wie in den fünf Aktiencrashs von 2000 bis 2003. Aber betrachtet man die Vergangenheit erneut aus der langfristigen Perspektive, verschwinden solche singulären Ereignisse. Nimmt man die vergangenen 45 Jahre ins Blickfeld, so hat sich eine Tausendernote, die man in einen Immobilienfonds gesteckt hat, bis heute in 16 Tausendernoten verwandelt. Das ist keine so üppige Wertsteigerung wie beim Schweizer Aktienindex; aber es bleibt eine achtbare.

Gerade in letzter Zeit haben die Immobilienpreise stark, ja verdächtig stark angezogen. Gemäss dem Epra/Nareit-North-America-Immobilien-Index wurden aus einem Tausenderschein, den man in amerikanischen und kanadischen Immobilienaktien investiert hat, binnen dreier Jahre zwei Tausenderscheine, zuzüglich eines Trinkgelds von 200 Dollar. In Japan haben sich einzelne Titel innert Jahresfrist mehr als verdoppelt. Auch in Spanien, London und Hongkong laufen die Deals in immer luftigeren Höhen. All das kann, wie wir aus Erfahrung wissen, auf eine Überhitzung deuten. Und obschon die Schweizer Land- und Häuserpreise von allen Experten als «noch vernünftig» eingeschätzt werden, wäre selbstverständlich auch unser Markt betroffen, wenn einträfe, was das seriöse britische Magazin Economist seit Monaten prophezeit: dass die Blase platzt.

Drei Richtige

Letzte Frage: Was tun? Bitte sehr, der Kapitalismus überlässt uns die Qual der Wahl, aus einer schier unendlichen Zahl von Aktien dürfen wir frei auswählen. Wenn wir uns auf die letzten zwölf Monate beschränken und dabei nur auf Schweizer Papiere achten, so liegt auf Platz 1: der Technologiekonzern Unaxis mit einem Plus von 134 Prozent! Die beste Gelegenheit der letzten zwölf Monate! Macht man jedoch den Fächer etwas weiter auf, findet man unter den besten Gelegenheiten immer noch bessere. Hätte man zu Beginn des Jahres 2003 zufällig zwei Tausendernoten übrig gehabt, diese zufällig in Sulzer-Aktien investiert, könnte man heute 15 Tausendernoten einlösen. Noch besser wäre man gefahren, hätte man sich mit ABB-Aktien zum historischen Tiefstwert eingedeckt. Dann hätte man nur etwa 90 Tausendernoten gebraucht, und man würde heute, drei Jahre später, als Millionär erwachen.

Also nichts wie los und im Meer der Aktien die nächsten Hochflieger herausfischen? Gemach, gemach. Eine historische Ausnahmesituation erweist sich erst im Nachhinein als eine historische Ausnahmesituation. Man müsste ja drei richtige Entscheide zugleich fällen: erstens die richtige Aktie finden, zweitens den richtigen Zeitpunkt erwischen, um sie zu kaufen, und drittens den richtigen Zeitpunkt abwarten, aber ja nicht verpassen, diese Aktie zu verkaufen. Wer das schafft, ist ein wahrhaftiger Glückspilz.

Gleichzeitig laufen selbst in gloriosen Zeiten, wie wir sie letzthin erleben durften, nicht alle Aktien fantastisch; im Gegenteil, mit einzelnen Titeln kann man jederzeit Geld verlieren, in den letzten zwölf Monaten sogar in der Schweiz. Der Technologiekonzern Micronas hat ein Minus von 22 Prozent erlitten, der Technologiekonzern Kudelski ein Minus von 15 Prozent; der zu zwei Dritteln staatliche Telekommunikationskonzern Swisscom und der Chemiekonzern Clariant haben ebenfalls verloren, wenn auch nur leicht. Was, wenn man darauf gesetzt hat? War das Pech?

Nein, das war dumm. Aus der Börsengeschichte sollte jeder Mann, jede Frau gelernt haben, dass ein einzelner Aktientitel höchst riskant ist, ganz egal, um welchen es sich handelt. Es gibt Gewinneraktien, es gibt Verliereraktien. Aber wenn einer behauptet, dass er zum Voraus wisse, welche Aktie sich als gute und welche sich als schlechte entpuppen werde, ist das entweder ein Scharlatan ­ oder ein Ausnahmekönner wie Warren Buffett, der mit 25 Jahren seine ersten 100 US-Dollar in den Aktienmarkt gesteckt hat. In letzter Zeit allerdings ist Warren Buffett himself auch nicht mehr so unwiderstehlich wie einst; zudem wird ihm ein Satz nachgesagt, den man als Rat verstehen muss, sein Glück besser nicht in einzelnen Titeln zu suchen: «Diversifikation ist ein Schutz gegen Unwissen.»

Körbe kaufen, Märkte schlagen

«Diversifikation» ist ganz einfach in die Praxis umzusetzen. Man kaufe nicht einzelne Aktien, sondern einen Korb von Aktien; dann darf es auch ein paar faule Titel drinhaben. Den Korb muss man nicht einmal eigenhändig zusammenstellen, das Angebot auf dem Markt ist schier unendlich gross.

Wie findet man sich darin zurecht? Mit gesundem Menschenverstand. Ein Korb heisst im Jargon «Fonds», wobei die Profis, welche diese vielen Fonds kreieren, deswegen noch keinen übermässigen Respekt verdienen. Zwar verfolgen sie das immer gleiche Ziel: Sie wollen den «Markt» schlagen. Doch wem gelingt das? Der «Markt», das ist die Rendite, welche der Durchschnitt aller Anleger erreicht, und dafür gibt’s rund um die Uhr eine objektive Messlatte: den Index. Gut ist ein Portfoliomanager, wenn es ihm jeweils gelingt, den entsprechenden Index zu schlagen. Ein Schweizer Aktienfonds sollte eigentlich besser abschneiden als der SMI-Index. Ein Pharma-Basket sollte besser abschneiden als der Pharma-Index. Und so weiter.

Jede wissenschaftliche Studie, jede persönliche Erfahrung und jede einfache Logik bestätigen: Einige Portfoliomanager sind erfolgreich, die Mehrheit jedoch ist es nicht. Im Durchschnitt erreichen die Fondsmanager den Durchschnitt nicht, schneiden also schlechter ab als der Index. Das muss so sein, schliesslich arbeiten Fondsmanager nicht gratis, sondern sie kosten im Gegenteil hohe Löhne, welche die Kunden letztlich in Form von hohen Gebühren begleichen müssen. Es ist manchmal schon erstaunlich, wie grosszügig die Vermögenden gegenüber ihren Bankiers sind.

Es ginge billiger, einfacher ­ und rentabler. Man investiere von Anfang an in den Index. Dann braucht man keinen Portfoliomanager, sondern man kann gleich einen Indexfonds kaufen, den die Banken ja auch anbieten; allerdings verrechnen sie auch da Gebühren, oftmals etwas versteckt. Also muss, wer knallhart auf Rendite aus ist, die Beratung sowohl der Gross- wie auch der Privatbanken meiden ­ und sein Erspartes direkt in Indexaktien investieren, in sogenannte ETFs (Abkürzung für Exchange Trade Funds), bei denen die jährlichen Gebühren nur ein halbes Prozent oder noch weniger betragen, die völlig transparent sind und für die es inzwischen auf (fast) allen möglichen Indexarten ein wohlfeiles Angebot gibt, ob Rohstoffe, Immobilien, was auch immer. Wer sich geografisch möglichst breit diversifizieren, aber auf Aktien beschränken will, investiert zum Beispiel in einen ETF, der sich nach einem weltweiten Börsenindex richtet. Wie die Aktien rund um den Globus sich entwickeln, erfasst etwa der MSCI-World-Index, den das 1935 gegründete US-Investmenthaus Morgan Stanley führt. Er setzt sich aus sehr vielen Aktien in sehr vielen Ländern – inklusive der Schweiz -­ zusammen.

«ETF» gehört vielleicht nicht zum gängigen Vokabular der Normalanleger ­ noch nicht. Aber Vortragsreisende wie Erwin Heri raten ihrem Publikum seit einiger Zeit dringend: «Kaufen Sie Index-Produkte!» Was beim Klavierspielen oder beim Eiskunstlaufen extrem mühsam wäre, wird beim Geldanlegen nämlich kinderleicht: «Ohne eine Stunde Übung kann jede Person so gut sein wie die Profis im Durchschnitt.»

Diese Entwicklung macht sogar den heute so florierenden Finanzinstituten etwas Angst. «Mit der Einführung von Indexinstrumenten geschah und geschieht im Finanzbereich das, was in der Industrie ein-, zweihundert Jahre früher erfolgt war: Die Automatisierung greift Platz», meint Konrad Hummler und redet von einer «Fliessbandproduktion», «höchst effizient» in der Herstellung, «kostengünstig für die Konsumenten». Bereits boomt dieser Markt, und der Markt hat bekanntlich immer Recht: Vor sieben Jahren hat das Volumen der ETFs weltweit erst 50 Milliarden US-Dollar betragen, heute sind es 450 Milliarden US-Dollar, meldet Morgan Stanley. Allein an der Schweizer Börse sind inzwischen 50 ETFs kotiert.

Fassen wir zusammen: Man übe sich in Geduld, denn wer eines Morgens als Millionär erwachen will, braucht Zeit. Viel Zeit. Zweitens halte man sich an Aktien, genauer: an den Aktienindex. Drittens steige man zeitlich gestaffelt ein, um auch das terminliche Risiko zu diversifizieren. Viertens steige man wieder zeitlich gestaffelt aus. Zugegeben, das ist langweilig und unspektakulär, kein Kitzeln, nichts. Und am Ende ist auch noch ungewiss, ob man mit dieser blinden Strategie im langfristigen Durchschnitt eine Rendite von 8 Prozent erzielt. Aber es ist immerhin wahrscheinlich.

Erwin W. Heri: Moden und Mythen an den Anlagemärkten. Warum Anleger und ihre Berater an der Börse immer wieder scheitern.

Finanzbuch-Verlag, 2005. 160 S., Fr. 43.70

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