Die guten Reichen Über Geld reden sie nicht einmal, wenn sie es verschenken. 08.06.2006, Weltwoche

Die guten Reichen
Über Geld reden sie nicht einmal, wenn sie es verschenken. 08.06.2006, Weltwoche
Ospel, Vasella, Grübel, Humer, Brabeck. Es gibt in der Schweiz einige Leute, die so viel Geld verdienen, dass sie sich ein paar Fragen stellen lassen müssen, öffentlich wie privat. «Welchen Wert hat die dritte S-Klasse, das dritte Chalet in den Bergen oder die dritte, noch grössere Motorjacht im Mittelmeer?», stichelt etwa die Verlegergattin und Juristin Ellen Ringier, wenn sie als Fundraiserin für viele gute Zwecke aktiv ist.Solche Fragen nach dem tieferen Sinn kommen inzwischen aus dem inneren Zirkel der Macht. Den Stein ins Rollen brachte Ueli Forster, amtierender Präsident der Economiesuisse, mit einem Interview im Tages-Anzeiger: «In den USA, wo die Spitzengehälter meist noch viel höher sind als bei uns, engagieren sich die Topverdiener häufig für soziale und kulturelle Projekte. Viele Amerikaner unterstützen systematisch Museen oder soziale Institutionen. Das ist bei uns seltener der Fall.» – «Sollten sich die Schweizer Topverdiener denn auch stärker für derartige Projekte engagieren?» – «Das wäre in der Tat wünschenswert.»Gerhard Schwarz, als Chef der Wirtschaftsredaktion der NZZ sowohl liberaler Vordenker wie moralische Autorität, doppelte wenige Tage später nach. Zunächst legte er dar, dass die grassierende Diskussion über eine Selbstbeschränkung der Spitzenverdiener wohl kaum zum Ziel führe. «Aber», endete G.S., «viel zu verdienen, damit Gutes zu tun und durchaus darüber zu reden – das ist vielleicht keine völlig unrealistische Hoffnung. Schliesslich entspricht dies jenen amerikanischen Gepflogenheiten, die auch zur Rechtfertigung der Topsaläre bemüht werden.»Die Schweiger: Ospel, Grübel etc.

Machen wir die Probe aufs Exempel und fragen wir die aktuellen Spitzenverdiener, was sie Gutes tun.

Marcel Ospel, Präsident der UBS und Spitzenverdiener Nummer eins, lässt ausrichten, dass er das als seine persönliche Angelegenheit betrachte. Franz B. Humer von der Roche will auch nicht, so wenig wie Rolf Dörig von der Swiss Life. Walter Kielholz und Oswald Grübel, Präsident und CEO der Credit Suisse, sehen diese Frage ebenfalls als ihre Privatsache an. Der gebürtige Österreicher Peter Brabeck, doppelter Chef des Weltkonzerns Nestlé, teilt mit: «Das Thema ist natürlich sehr interessant, und es sprechen sicher gute Gründe dafür, es jetzt aufzugreifen. Insgesamt aber möchten wir auf eine Teilnahme verzichten, und zwar mit Rücksicht auf die immer noch stark ausgeprägte calvinistische Haltung, die Wohltätigkeit, ebenso wie Vermögen, mit grosser Diskretion umgibt.» Selbst James J. Schiro, ein Amerikaner und oberster Chef der Zürich Versicherungen, habe es sich «zur Maxime gemacht, auf persönliche Fragen nicht einzugehen», was eher unamerikanisch anmutet.

Daniel Vasella, Spitzenverdiener Nummer zwei, äussert sich, aber verhalten. Zunächst antwortet Novartis lange Zeit nicht, dann lässt das Unternehmen ausrichten, dass die Familie Vasella eine Stiftung gegründet habe für «Kinder in Not», aber die sei erst «in der Anfangsphase». Auf die Nachfrage, ob es stimme, dass Vasella seit Jahren ein Spital in Mali finanziere, heisst es: «Stimmt. Aber das ist seine Privatsache, darüber will Herr Vasella nicht reden.» Andere tun Ähnliches ebenso still. Peter Forstmoser, Präsident der Swiss Re, unterstützt seit langem eine Schule in Kolumbien, Roger Schawinski eine Schule in Nicaragua.

Hier spricht Amerika

Die reichsten Amerikaner hingegen haben ein völlig unverkrampftes Verhältnis zur demonstrativen Grosszügigkeit. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird das Geben von jeher mit dem Namen verknüpft. «Ich beschloss, nicht länger Vermögen anzuhäufen, sondern mich der ernsteren und deutlich schwierigeren Aufgabe zuzuwenden, das Vermögen weise zu verteilen», schrieb etwa der Stahlmagnat Andrew Carnegie in seiner Autobiografie. Sein Wirken reicht bis in die Schweiz von heute, wo die Carnegie-Stiftung für Lebensretter-/Innen, aktuell unter dem Präsidium von Pascal Couchepin, in den vergangenen 94 Jahren 8252 Personen ausgezeichnet und mit ingesamt 2,7 Millionen Franken belohnt hat.

«Die zwanzig grössten Philanthropen»: Solche Listen sind in den USA üblich und werden von der Presse regelmässig nachgeführt, zum Beispiel im Magazin Business Week. Das Spezielle an diesen Listen besteht darin, dass sie der Wirklichkeit zumindest nahe kommen. Einige Prominenz gibt sich sogar Mühe, möglichst weit nach vorne zu rücken. Auf die Spenden der vergangenen fünf Jahre bezogen, präsentiert sich die Liste von Business Week so:

– Zuoberst steht das Ehepaar Gordon und Betty Moore, die Gründer von Intel, mit einer Summe von 7,05 Milliarden US-Dollar. Ihre Stiftung schützt den Wildlachs in Alaska, den Regenwald im Amazonas oder die Red Woods in Kalifornien.

– Auf Platz zwei folgt das Ehepaar Bill und Melinda Gates, die Gründer von Microsoft. In den vergangenen fünf Jahren haben sie 5,46 Milliarden US-Dollar in ihre Stiftung abgeführt, übers ganze Leben bisher die sagenhafte Summe von 31 Milliarden. Ihre Stiftung gilt als die grösste der Welt und engagiert sich vor allem gegen Krankheiten in der Dritten Welt. Teilweise ist der Segen sogar auf den Spender zurückgefallen. Bill Gates wird seither nicht mehr bloss als Monopolist gehasst, sondern als Mäzen verehrt und wie folgt zitiert: «Wenn wir als Eltern mit unserer Erziehung erfolgreich sind, werden unsere Kinder zustimmen, dass sie nur einen kleinen Teil des Vermögens erben werden.»

– Auf Platz 3 erscheint Warren Buffett mit 2,62 Milliarden Dollar; davon stammen 2,5 Milliarden von seiner verstorbenen Frau Susan. Sollte Warren Buffett sterben, will er «alles», was er hat, der Allgemeinheit vermachen. Seine drei Kinder hat er angeblich enterbt; man dürfe doch nicht «ein Leben lang eine Art Sozialhilfe kassieren, nur weil man der richtigen Gebärmutter entschlüpft ist».

– Auf Platz vier kommt der Investor George Soros, der in den vergangenen fünf Jahren ein Total von 2,37 Milliarden US-Dollar für seine Stiftungen geäufnet hat. Heute fördert er vor allem die Demokratie in Osteuropa, früher hat er etwa schwarzen Studenten geholfen, die University of Cape Town zu besuchen.

In Ruhe stiften

Und in der Schweiz? «Me git – aber me sait nyt», wie es auf Baseldeutsch heisst. Legendär ist die Aktion von Basler Frauen zugunsten ihres Theaters («Schauspielhaus Ladies First»). Reihenweise sind Reiche grosszügig, nicht nur in Basel; aber fast immer unter der Bedingung, dass sie ihre Gabe nicht an die grosse Glocke hängen müssen. Das musste auch Christoph Blocher erfahren, als er noch Industrieller und Nationalrat war und 1997 gegen die geplante, staatliche Solidaritätsstiftung kämpfte. Also wollte er öffentlich auflisten, wie viel die Privaten im Stillen leisten; freilich wollte sich kaum einer outen. «Christoph Blocher sandte Formulare herum, auf denen man angeben sollte, wie viel Geld man an welche Hilfsorganisation geschickt habe», erzählt Nicolas Hayek im Interview-Buch der NZZ. «Ich schrieb ihm zurück, dass das genau das sei, was man nicht tun sollte. Wie heisst es doch: Tue Gutes und sprich nicht darüber!»

Ueli Forster ist mit seinem Aufruf im Tages-Anzeiger ebenfalls ins Leere gelaufen. Hat er Reaktionen erhalten? «Nein.» Haben sich gar Spitzenverdiener bei ihm gemeldet? «Nein.» Ein einziges positives Beispiel kann er nennen: Markus Rauh, der abtretende Swisscom-Präsident, der, obschon er nicht zur ganz obersten Liga der Topverdiener zählt, mit drei Millionen Franken eine Stiftung gründete zugunsten von Jugendlichen, die schwierig ins Berufsleben einzugliedern sind. Ueli Forster selber übrigens unterstützt mit seiner Frau, der FDP-Ständerätin Erika Forster, einen Mittagstisch in Rumänien mit jährlich 10000 Franken. Daneben spenden sie «für verschiedenste gemeinnützige Organisationen mit kleineren und mittleren Beträgen». Beide leisten zudem reichlich ehrenamtliche Tätigkeit: «Ich selbst mindestens zwei Tage pro Woche, meine Frau im Schnitt über das Jahr einen weiteren Tag».

Selbstverständlich könnte eine Schweizer Zeitschrift wie die Weltwoche auch eine Liste kreieren und «Die zwanzig grössten Philanthropen der Schweiz» mit Namen und Summen nennen. Der Altruismus, weltweit im Auftrieb, boomt hierzulande besonders stark. Nur: Eine solche Liste wäre wenig glaubwürdig – nicht nur wegen des Wunsches nach Diskretion, auch wegen der Vielfalt der Aktivitäten. Von einem «völlig intransparenten Sektor» spricht Beate Eckhardt, die als Geschäftsführerin von Swissfoundation wenigstens das Stiftungswesen im Blick haben sollte; hat sie aber nicht, weil gar niemand die Übersicht haben kann.

Das offizielle 470-seitige Verzeichnis der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht führt lediglich eine kleine Minderheit der Stiftungen auf. Von den schätzungsweise 11000 sind nur 2575 unter eidgenössischer Aufsicht, der Rest unter kantonaler und kommunaler. Zudem werden im eidgenössischen Verzeichnis nur jene Stiftungen aufgeführt, die damit einverstanden sind; jede zweite aber will nicht öffentlich genannt werden. Und selbst wenn die Stiftung ihren Namen samt Zweck öffentlich publizieren lässt, bleibt der Geldgeber meistens anonym. «Namhafte Stifter machen nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit mit», sagt Bruno Ferrari-Visca, Leiter der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht. Man sehe dann «keiner Urkunde an, wer dahintersteht». Er habe schon einige stille Spender gefragt, warum sie nicht namentlich genannt werden wollen, und er erhalte immer dieselbe Antwort: «Sonst bekäme ich nur noch Bettelbriefe.»

Stephan, der Gute

Und wer ist der grösste Philanthrop im Schweizerland? Zumindest diese Frage lässt sich mit einer hohen Trefferwahrscheinlichkeit beantworten. Ganz oben auf dem Podest steht: Stephan Schmidheiny. Sein Vermögen wird vom Wirtschaftsmagazin Bilanz auf «3 bis 4 Milliarden Franken» geschätzt; zusätzlich hat er bis jetzt sicher 1,5 Milliarden Franken für gemeinnützige Zwecke gestiftet.

Donnerstag, 9. Oktober 2003, San José, Costa Rica. Señor Schmidheiny überträgt sein in Lateinamerika tätiges Unternehmen, die Grupo Nueva im Wert von einer runden Milliarde US-Dollar, in die neue Stiftung «Viva» (Kurzformel für «Visiones y Valores»). Vor Ort an den Feierlichkeiten präsent ist viel Prominenz, darunter der damalige Weltbankpräsident James Wolfensohn, der in seinem Referat darauf hinweist, «dass die gewaltigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme der Zukunft nicht mehr von Regierungen allein gelöst werden können». Dann sprach der Geehrte, der sein Vermögen ursprünglich geerbt, dann vermehrt hat: «Sobald man Reichtum erlangt hat, tauchen bohrende Fragen auf wie: Für was ist Reichtum gedacht? Ich versuche, Reichtum für einen guten Zweck noch zu meinen Lebzeiten einzusetzen.»

Die Stiftung Viva, die seither treuhänderisch geführt wird, ist eine kommerzielle Gesellschaft, die Gewinne erwirtschaften soll; ihre Dividenden jedoch, 35 bis 45 Millionen US-Dollar im Jahr, werden von nun an in die Stiftung Avina überführt. Diese gemeinnützige Stiftung, von Stephan Schmidheiny bereits 1994 gegründet, hat bis heute 320 Millionen US-Dollar in Entwicklungsprojekte in Lateinamerika investiert. Damit hat der Industrielle erreicht, wovon er schon als kleiner Bub geträumt habe: Er ist Entwicklungshelfer geworden.

Bei uns in der Schweiz schlägt das «Milliardengeschenk» von Schmidheiny keine hohen Wellen. Über den Festakt hat ein einziger Journalist berichtet, Werner Catrina, der Schmidheinys Verwandlungen seit Jahrzehnten verfolgt. 1985 beschrieb Catrina im «Eternit-Report», wie der junge Erbe gegen grosse Widerstände das todbringende Asbest im Eternit durch unbedenkliche Chemie- und Naturfasern ersetzte.

In diesen Wochen reist Catrina wieder auf den Spuren Schmidheinys, diesmal kreuz und quer durch Lateinamerika – und ist, wie er via E-Mail berichtet, «tief beeindruckt» über die Aktivitäten der Avina. «Ich sah Kinder, die früher auf Kehrichtdeponien nach Wertstoffen wühlten und jetzt in die Schule gehen können, sah ein Projekt zum Schutz der Haie, Aufforstungsprogramme, Fussballfelder für Strassenkinder, ein Theater im Slum.» Die Recherchen des Journalisten sollen in ein neues Buch einfliessen, um das Modell Avina auch in der Schweiz bekannter zu machen: «‹Stephan›, wie er hier ehrfürchtig genannt wird, gilt in ganz Lateinamerika als Pionier.»

Als Philanthrop Nummer zwei, dicht hinter Schmidheiny, folgt Klaus Jacobs. Der frühere Kaffeeunternehmer mit Sitz in Zürich am See hat seine Aktien, die zurzeit einen Buchwert von über 2 Milliarden Franken aufweisen, einer Stiftung unter seinem Namen übergeben, welche professionell geführt wird, offen informiert und zurzeit pro Jahr rund 10 Millionen Franken ausschüttet; bald werden es über 20 sein. Davon profitieren unzählige Projekte zugunsten der Jugend auf der ganzen Welt.

Ab Platz drei wird die Szene unübersichtlich. Zum Beispiel drängt sich ein Kandidat auf, der in der Liste der «300 Reichsten» der Schweiz vom Magazin Bilanz neu ebenfalls auf Platz 3 gesetzt wird, aber trotzdem in einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Hansjörg Wyss heisst er, ist 70 Jahre alt, gibt keine Interviews, lässt sich im Geschäftsbericht seines Konzerns, des Medizinalunternehmens Synthes, nicht einmal fotografieren. «Er ist schon lange nicht mehr der Berner Giel, sondern von der amerikanischen Mentalität geprägt», weiss die NZZ am Sonntag. Allmählich erst macht sich Hansjörg Wyss bei uns einen Namen, was vermutlich daher kommt, dass Wyss nicht über sich selber spricht – es sei denn, er darf, typisch amerikanisch, über sein Engagement für die Allgemeinheit sprechen. In den USA hat er dafür gesorgt, dass 12 Millionen Hektar Land zu Nationalparks erklärt wurden. Vergangenes Jahr hat er der Harvard Business School 25 Millionen Dollar gespendet; auch der Universität Basel liess er (zusammen mit Thomas Straumann, einem andern Schweizer Medizinaltechnik-Unternehmer) 9,5 Millionen Franken zukommen. Zwanzig Millionen Franken hat er für den Erweiterungsbau des Kunstmuseums Bern gesprochen, der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel greift er finanziell ebenso unter die Arme wie der Dampfbahn der Stiftung Furka-Bergstrecke.

Bekanntmachung:

In der kleinen Schweiz leben, bezogen auf die Bevölkerung, noch mehr Philanthropen als in den USA. Für den dritten Platz hinter Stephan Schmidheiny und Klaus Jacobs kommen neben Hansjörg Wyss mindestens 13 weitere Kandidaten in Frage, deren Engagement manchmal etwas mehr, manchmal etwas weniger bekannt ist. In alphabetischer Reihenfolge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind dies:

– Hans J. Bär: Der Zürcher Privatbankier ist, zusammen mit seiner weitverzweigten Familie, vor allem in der Kultur aktiv.

– Ernst Beyeler: Der Basler Galerist schenkte seine Sammlung, die laut Bilanz einen Wert von 2 Milliarden hat, der Fondation Beyeler in Riehen BS.

– René Braginsky: Der Zürcher Investor unterstützt die jüdische Primarschule Noam in Zürich, die ETH Zürich oder das Weizmann Institute of Science in Israel.

– Walter Haefner: Der Amag-Gründer soll via seine Stiftung laut Cash jährlich «15 bis 20 Millionen Franken» ausschütten, um laut Statuten «namentlich die Lebensbedingungen von Kindern im In- und Ausland zu verbessern».

– Die Familie Hilti: Die Liechtensteiner sind vielfältig philanthropisch tätig, von jeher. Aktuell läuft in Berlin ihre Ausstellung «Ägyptens versunkene Schätze», eine Weltpremiere: 500 einzigartige Objekte, die der Unterwasserarchäologe Franck Goddio geborgen hat.

– Die Familie Landolt: Ihre Sandoz-Stiftung finanziert wissenschaftliche Projekte und mehrere Professuren an der ETH Lausanne und der Uni Genf.

– Willy Michel: Der Medizinalunternehmer schenkte dem Städtchen Burgdorf das Franz-Gertsch-Museum.

– Maurice Müller: ein weiterer Medizinalunternehmer, der ein Museum spendet, nämlich das Zentrum Paul Klee in Bern.

– Die Familie Oeri in Basel: Catherine unterstützt die Tibetsammlung des Museum der Kulturen, Beatrice den Jazzklub «Bird’s Eye», Sabine eine Tagesklinik für Alzheimerpatienten, Maja das Schaulager in Münchenstein und Gigi das Teddybärenmuseum.

– Die Familie Reinhart: Sie sorgt für eine weltrekordverdächtige Dichte an Museen in Winterthur (17 Stück auf 90000 Einwohner).

– Marc Rich: Der Zuger Rohstoffhändler unterstützt die Kultur vom Opernhaus Zürich bis zur Alternativszene.

– Hans Vontobel: Der Zürcher Privatbankier, 90, führt vier Stiftungen, darunter eine für kreative Menschen ab 65.

– Branco Weiss: Der Zürcher Technologieunternehmer ist wohl der grösste Privatmäzen der ETH Zürich.

Und nicht zu vergessen: Heinrich Gebert, der «WC-König» der Ostschweiz, bald neunzig Jahre alt. Nach dem Verkauf der Sanitärtechnikfirma Geberit hat er mit 220 Millionen Franken eine Wissenschaftsstiftung unter dem Namen «Gebert Rüf Stiftung» gegründet. Diese ist, zusammen mit der Jacobs-Stiftung und Stephan Schmidheinys Avina, auch in einem nichtmateriellen Sinn einzigartig: Sie rapportiert zuhanden der Öffentlichkeit, was sie tut, und zwar ausführlich: von der Summe, rund zehn Millionen Franken im Jahr, bis zu den Kriterien, wie dieses Geld eingesetzt wird. Jedes einzelne der insgesamt 110 Projekte wird ausgewiesen, und nicht zufällig findet sich darunter auch eines an der Uni St. Gallen, welches zum Ziel hat, das Management gemeinnütziger Stiftungen in der Schweiz generell zu verbessern. Denn auch eine Stiftung soll wie eine Firma so organisiert sein, dass sie ihre Mittel möglichst effizient einsetzen kann.

Naiv karitativ

Dieses Ziel wird oft nicht erreicht, obschon es in diesem «Geschäft» um enorm viel Geld geht. Laut einer Hochrechnung haben die geschätzten 11000 Schweizer Stiftungen im Jahr 2000 eine runde Milliarde Franken ausgeschüttet, was zwei Prozent der Bundesausgaben entsprochen hat. Seither erleben die hiesigen Stiftungen eine Hochkonjunktur, täglich werden es mehr – doch dabei mangelt es vielen Stiftungen schon an der Kontrolle. Der Stifter, dem alles zu verdanken ist, erhält zu oft ein zu grosses Gewicht. Manchmal spielt er gar zu viele Rollen zugleich, leitet die Geschäfte und überprüft auch noch die Buchhaltung. Es kommt dann zu Verdächtigungen (etwa rund um Dr. Beat Richner) oder gar zu Prozessen (etwa gegen Dr. Guido Zäch).

Das ist übrigens ein weltweites Phänomen: «Milliarden von Dollars werden verschwendet unter dem schönen Wort der Philanthropie», lehrt Michael Porter, Management-Guru an der Harvard Business School.

Ausgerechnet Leute, die im globalen Business als knallharte Rappenspalter auftreten, verhalten sich in ihrer karitativen Nebentätigkeit handgestrickt, ja alternativ. Der amerikanische Computer-Gigant Michael Dell und seine Frau Susan wollen, wie viele Reiche auch, «Kindern in Not» helfen. Wie entscheidet ihre Stiftung über die Projekte? «Schon ein Wörtchen mitzureden» hätten die vier Kinder der Dells: das älteste ist zwölf, das mittlere zehn, die Zwillinge sind acht Jahre jung. «Vor jedem Board-Meeting gibt es ein Junior-Board-Meeting», erzählt Michael Dell in Interviews. «Da treffen sich die Kinder und entscheiden, welche Projekte sie unterstützen möchten. So müssen sie Entscheidungen treffen und lernen, unter verschiedenen Optionen auszuwählen. Das ist sehr gut für sie.» «Sehr gut» für die Kinder des Ehepaars Dell. Ob eine derartige Geschäftspolitik auch für die Kinder in Not «sehr gut» ist, steht auf einem andern Blatt.

In unschöner Erinnerung ist die Aktion der Hollywood-Schauspielerin Sharon Stone am WEF in Davos. Kurzweg rief sie die teilnehmenden Spitzenverdiener auf, ihr Portemonnaie zu zücken – zugunsten von Moskitonetzen in Afrika. In der Folge wurde ein Kontinent überschwemmt mit Gratis-Moskitonetzen, worauf die lokalen Händler auf ihrer Ware sitzen blieben und die überzähligen Netze zum Fischen ausprobiert wurden. Peinlich war schon, dass etliche Manager ihr spontanes Geldversprechen nicht eingelöst hatten, so dass WEF-Gründer Klaus Schwab die versprochene Summe nachschiessen musste.

Solche Probleme möchte man haben

Ernüchternde Erfahrungen machen viele Stifter, aber nur wenige reden darüber. Der Genfer Privatbankier Pierre Mirabaud nahm sich George Soros zum Vorbild. «Auch ich wollte der Demokratie in Rumänien zum Durchbruch verhelfen.» Mit seiner Stiftung Pro Democratia unterstützte Mirabaud liberale Politiker: mit Fotokopierern, Faxgeräten, Papier. «Wir trainierten sie für Medienauftritte, wir finanzierten politische Kurse. Fast alle, denen wir geholfen hatten, wurden in die Regierung gewählt.» Trotzdem zahlte sich sein Engagement nicht aus, die unterstützten Politiker scheiterten – mangels Erfahrung. «Sie können die Leute nicht fünfzig Jahre lang von der Macht fern halten und dann erwarten, eine neue Generation werde über Nacht in den Kategorien des demokratischen Mehrparteiensystems denken.» Ein deprimierendes Ende? «Sicher, aber ich würde es morgen wieder tun. Es war eine fantastische Erfahrung, die mich aus meinem Alltag als Vermögensverwalter entführt hat», erzählt Mirabaud dem Weltwoche-Journalisten Claude Baumann (im Buch «Ausgewaschen», Xanthippe-Verlag).

Manchmal beginnt das erste ernste Problem schon beim Zweck. Der Stifter ist hier völlig frei, sofern er sich an Gesetze und Sittlichkeit hält, gibt es keine Einschränkung. «Eine reiche Person hat einmal eine hochdotierte Stiftung zugunsten von herrenlosen Hunden in ihrem Kanton hinterlassen», sagt Bruno Ferrari-Visca von der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht. «Sie wohnte aber in einem so kleinen Kanton, dass es dort fast keine herrenlosen Hunde gibt; in einem solchen Fall kann die zuständige Aufsichtsbehörde höchstens noch versuchen, dass der Zweck der Stiftung ausgeweitet wird.»

Sehr hochdotiert, mit einem Paket Novartis-Aktien im Wert von mehreren hundert Millionen Franken, ist die Windler-Stiftung. Ihr einziger Zweck: die Verschönerung des Ortsbildes des Städtchens Stein am Rhein. Laufend schüttet die Stiftung stattliche Summen aus, bis zu zehn Millionen Franken im Jahr, was etwa dem Steuerertrag der Gemeinde Stein am Rhein entspricht. Als kürzlich auch Werkleitungen unter dem Rathausplatz mitsamt den Röhren aus der Stiftung finanziert wurden, wurde gegen den Stadtpräsidenten von Stein am Rhein, der laut Statuten im Stiftungsrat sitzen muss, der Vorwurf der «Zweckentfremdung» erhoben; das Verfahren wurde eingestellt. Aber es ist seither kein Wunder mehr, dass das Städtchen immer so schön herausgeputzt ist.

Gustav Rau, ein deutscher Kunstsammler, besass nur zwei Paar Hosen, so will es die Legende. In die Stadt ging er zu Fuss, um die Kosten für den öffentlichen Verkehr zu sparen. Er war ausserordentlich vermögend und gründete mehrere Stiftungen in der Schweiz, doch dieser Nachlass im Wert von mindestens 700 Millionen Franken ging in einem unendlich komplizierten Rechtsstreit verloren. Am Ende haben «die wirklichen Destinatäre dieses Vermögens – die unterprivilegierten Bevölkerungsschichten in der Dritten Welt – davon gar nicht profitiert». So nachzulesen in einem Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats, der mit dem Fazit schliesst: «Fälle wie derjenige der Rauschen Stiftungen dürfen sich in Zukunft nicht wiederholen.»

Wege zum Glück

Der gute Willen allein genügt nicht, Philanthropie ist eine Profession wie jede andere auch. Das erkannt haben Schweizer Bankiers, die täglich mit Menschen in Kontakt kommen, die ihr Geld nicht unbedingt nochmals vermehren, sondern es verteilen wollen – auf möglichst sinnvolle Art. Just deswegen sind sie auf eine fachmännische Beratung angewiesen. Die UBS baut nun eine spezielle Abteilung auf, die UBS Philanthropy Services, die von Zürich aus mit zurzeit sechs Mitarbeitern «sehr vermögende Kunden» betreut. «Sehr vermögend» heisst: Sie müssen mindestens 50 Millionen mitbringen, von denen sie mindestens 10 Millionen für philanthropische Zwecke spenden wollen.

Mitte Mai fand im Château de Coppet bei Genf das alljährliche Philanthropy Forum statt, an dem über hundert dieser «sehr vermögenden Kunden von UBS» zweieinhalb Tage lang in Workshops ihre Ideen mit «Gleichgesinnten, siebzig Fachleuten und anderen philanthropischen Visionären» austauschen konnten. «Philanthropie liegt ganz klar im Trend, gerade auch viele jüngere Personen engagieren sich, machen etwa einen MBA im Nonprofit-Bereich», beobachtet Maximilian Martin, der die UBS Philanthropy Services leitet und an der Hochschule St. Gallen lehrt. «Es geht oft darum, das Ethos der Familie weiterzugeben – gemeinsam mit der nachfolgenden Generation, der ja auch schon meistens junge Erwachsene angehören.»

Aktiv sind auch einige der aufstrebenden, sensationell verdienenden Jungen auf dem Finanz- und dem Sportplatz. Und die reden amerikanisch offen darüber. Burkhard Varnholt, 37, Angestellter bei der CS in Zürich, hat den Verein Kids of Africa gegründet, der in Uganda ein Waisenheim führt. Roger Federer, 24, hat eine Stiftung unter seinem Namen zugunsten von benachteiligten Kindern in Südafrika gegründet und wirkt als Unicef-Botschafter.

«Die hochentwickelte Gesellschaft ist kein Nullsummenspiel. Wer gibt, gewinnt», schreibt der deutsche Journalist Thomas Ramge in seinem Buch «Nach der Ego-Gesellschaft» (Pendo-Verlag). «Wer sich engagiert, um soziale Anerkennung zu finden, wird durchaus glücklicher. Wer sich engagiert, um andern zu helfen, profitiert noch stärker.» Ramge kam mit vielen Vermögenden in Kontakt und hörte häufig den Satz: «Dieses Land hat es mir ermöglicht, reich zu werden. Also habe ich auch die verdammte Pflicht, hier zu bleiben und mich zu engagieren.»

Erben werben

Die Amerikaner nennen es «giving back», und der letzte Moment, etwas zurückzugeben, kommt mit dem Tod. Jedes Jahr werden in der Schweiz gut dreissig Milliarden Franken vererbt. Davon muss nicht unbedingt die eigene Familie allein profitieren; in vielen Fällen sollen die Nachkommen sogar auf ihre hohen Pflichtteile verzichten, freiwillig. «Die Erbschaft für eine gute Sache», so lautet das Ratgeberbuch des Thuner Anwalts Thomas B. Notter. «Die heutigen Paragrafen über die Pflichtteile sind völlig überholt, sie stammen aus dem Jahr 1912, damals gab es noch keine AHV, keine Pensionskassen.» Heute seien die Leute, wenn sie erben, oft schon selber im AHV-Alter, also brauchen sie das Geld häufig gar nicht mehr. «Das gibt Spielraum», sagt Anwalt Notter, der gemeinnützige Organisationen berät, wie sie an diesen Topf herankommen.

Mit Erfolg: Laut einer Nationalfondsstudie sind im Jahr 2000 rund 3,9 Prozent der Erbschaftssumme an «Organisationen» geflossen. Das klingt nach wenig, aber es macht in Franken weit über eine Milliarde Franken aus. Die Schweizer Berghilfe zum Beispiel nahm vergangenes Jahr gut 12 Millionen Franken durch gewöhnliche Spenden ein – und genau doppelt so viel, gut 25 Millionen Franken, mit Legaten aus Nachlässen. Inzwischen bieten viele Organisationen, vom WWF bis zur Pro Senectute, Kurse an unter Titeln wie: «Keine Angst vor dem Testament!» Und in ihren Broschüren heisst es wörtlich: «Wir verhehlen Ihnen dabei nicht, dass auch Pro Senectute auf Spenden, Vermächtnisse und Erbeinsetzungen angewiesen ist, um ihre Arbeit leisten zu können.»

Fast unsterblich aber macht man sich erst mit einer Stiftung unter eigenem Namen. Für diese Tradition stehen in der Schweiz Namen wie Ernst Göhner (1900–1971), Gottlieb Duttweiler (1888–1962), Christoph Merian (1800–1858), während die bedeutendste Kunstsammlung der Schweiz unter dem Namen «Emanuel-Hoffmann-Stiftung» eigentlich Maja Sacher (1898– 1989) zu verdanken ist.

So reden nur Diebe

Zurück zu den lebenden Topverdienern, die vielleicht auch Gutes tun – aber darüber vornehm schweigen. Also werden sie von der Boulevardpresse als «Gierige» abgestempelt. Zu Unrecht? Ellen Ringier berichtet von einem Dinner zugunsten einer Alzheimer-Initiative. Tausend Franken waren als Spende erbeten, was einen hochrangigen Manager abgehalten habe. «Ich würde gern kommen», habe der sich entschuldigt, «aber ich weiss einfach nicht, von welchem Geschäftskonto ich die Spende abbuchen kann.»

Tatsächlich wird die gute Tat öfter elegant abdelegiert – an die «gute Firma», auf Englisch: good company. Als Folge davon antwortete Roches Pressestelle auf die Frage der Weltwoche nach den philanthropischen Projekten ihres CEO Franz B. Humer: «Da dies, wie Sie schreiben, persönliche Projekte sind, liegt Herrn Humer nichts daran, diese darzulegen. Wir geben Ihnen aber gerne Auskunft über die Vielzahl von kulturellen und sozialen Projekte, die Roche weltweit unterstützt.» Also sei erwähnt: Roche unterhält vier Stiftungen im Bereich der Forschung, baut mit dem Internationalen Roten Kreuz eine Partnerschaft auf, unterstützt Initiativen zur Gesundheitsversorgung in der Dritten Welt, und Roche verdoppelt die Summe Geld, die 12000 ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einem Aids-Sponsorenlauf erlaufen. Daneben hat Roche der Stadt Basel das Tinguely-Museum geschenkt, samt Betrieb, ergänzt mit «Roche ’n’ Jazz». All das wird im Geschäftsbericht nur gestreift: «Da die Aussagekraft von Geld- und Sachspenden höchst problematisch ist, hat sich Roche entschlossen, keine detaillierten Zahlen zum Geldwert seiner Aktivitäten zu veröffentlichen.»

Höchstes Renommee geniesst die Novartis-Stiftung, kürzlich in New York mit dem «Excellence in Corporate Philanthropy Award» ausgezeichnet. Diese Stiftung, geführt durch Soziologieprofessor Klaus Leisinger, will die Lepra eliminieren, Malaria und Tuberkulose besser bekämpfen, Aids-Waisen helfen – mit einem Jahresbudget, das mit 9 Millionen Franken immerhin fast halb so hoch ist wie das Jahressalär von Daniel Vasella. Dank dieser Stiftung schneidet Novartis im europäischen Good-Company-Ranking, das das Manager-Magazin in Deutschland jedes Jahr durchführt, von allen Schweizer Konzernen am besten ab: Platz 14 (auf Platz 1 steht der Ölkonzern BP).

Unumstritten ist der Altruismus der Konzerne nicht. «Die einzige soziale Verantwortung der Wirtschaft besteht darin, ihre Gewinne zu erhöhen», schrieb Milton Friedman. «Wenn eine Firma spendet, hindert sie ihre Eigentümer daran, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Mittel verwenden soll.» Helmut Maucher, langjähriger Präsident der Nestlé, kommentiert: «Sie reden von giving back, als hätten sie etwas gestohlen.» Dass «die Zahl der Manager laufend» zunehme, «die einen Teil der Gewinne zur Förderung ihrer privaten Liebhabereien oder zur Selbstinszenierung im Kulturleben verwenden», sticht auch dem mehrfachen Verwaltungsrat Kurt Schiltknecht ins Auge. «Einzelne spielen sich mit dem Geld ihrer Unternehmung als Mäzene auf und versuchen damit, ihr übersetztes Gehalt gesellschaftsfähig zu machen.»

Von Marcel Ospel, dem Spitzenverdiener Nummer eins, gilt es nachzutragen, dass auch er eine Stiftung gegründet hat: die Stiftung zur Förderung des Basler Schnitzelbangg, dotiert mit 300000 Franken. Zum ersten Mal wurde der sogenannte Schnaabelbryys an der Fasnacht 2004 ausgesetzt. Die meisten Basler fanden das anfänglich weniger lustig, aber der Ex-Basler Marcel Ospel hielt durch. Dieses Jahr wurden im traditionellen «Atlantis» gleich fünf Preise von insgesamt 10000 Franken und ein Grienschnaa-belbryys von 2000 Franken zugunsten des Nachwuchses vergeben.

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