Für jede Person eine Monatsrente von 1111 Franken Entziffert 25.10.2006, Bilanz

Für jede Person eine Monatsrente von 1111 Franken
Entziffert 25.10.2006, Bilanz
Heute wollen wir den Taschenrechner zur Hand nehmen. Keine Angst, es wird simpel! Zuerst addieren wir sämtliche Teilsummen, die in unserem Sozialstaat im Jahr 2005 als Renten ausbezahlt worden sind.Los geht es mit der AHV: 31,3 Milliarden Franken plus Ergänzungsleistungen von 1,7 Milliarden. Die IV gab 11,6 Milliarden aus plus Ergänzungsleistungen von 1,3 Milliarden. Die Pensionskassen entrichteten 35,2 Milliarden, die Arbeitslosenkassen 6,7 Milliarden, die Unfallversicherungen 3 Milliarden (geschätzt). Die Familienzulagen beliefen sich auf 4,8 Milliarden, die Fürsorgegelder auf 3,5 Milliarden (geschätzt), der Militär-Erwerbsersatz auf 0,9 Milliarden. Haben wir das alles richtig eingetippt, erhalten wir die Gesamtsumme von rund 100 Milliarden Franken.Selbstverständlich ist dieses Geld nicht voll in Renten umgemünzt worden. Ein Teil, geschätzte 10 bis 15 Prozent, verpuffte in der Verwaltung. Denn eine jede Sozialversicherung braucht ihre eigene Administration, die für jeden Einzelfall abklärt, ob eine Rente ausbezahlt wird und wie hoch diese ausfällt.Nun stellen wir uns kurz vor: Wir machen alles neu. Wir zahlen die Renten anders aus, nämlich völlig unbürokratisch. Wir schütten alles Geld wie aus der Giesskanne über der Schweiz aus, sodass jede Person, ob Greis oder Baby, reich oder arm, gleich viel bekäme, monatlich ausbezahlt, bar auf die Hand. Mit dem Taschenrechner ist das einfach: Wir dividieren die 100 Milliarden durch 12, die Zahl der Monate, dann dividieren wir durch 7,5 Millionen, die Zahl der Einwohner in der Schweiz. Resultat: 1111 Franken. So hoch wäre die monatliche Rente für jede Person.

Damit wäre realisiert, was der Sozialist Paul Lafargue im Jahre 1883 einforderte: «das Recht auf Faulheit». Heute spricht man von «Grundeinkommen[100]» oder «Bürgergeld», das ohne Bedingung, ohne Gegenleistung, ohne Antrag ausbezahlt werden soll ­ wie im Schlaraffenland. Wobei diese Utopie nicht unbedingt von links kommt. Milton Friedman, der Erzliberale aus Chicago, ist ein Verfechter dieser Idee. Neuerdings fordert der Schweizer Ökonom Thomas Straubhaar, der in Deutschland lehrt, dass «die Sozialpolitik in Zukunft konsequent auf das Modell des Grundeinkommens[90] abgestützt werden» solle. Warum bloss?

Weil wir damit den ganzen heutigen Sozialstaat abschaffen und viele falsche Anreize beseitigen könnten, die zum Beispiel dazu führen, dass geschiedene Frauen ein möglichst tiefes Einkommen auszuweisen haben, um vom Staat eine genügende Alimentenbevorschussung zu erhalten. Dank dem «Bürgergeld» gäbe es auch keinen «Missbrauch» mehr. Man müsste und könnte sich keine Rente mehr «erschleichen». Man müsste sie auch nicht mehr «abverdienen» mit vorzuschiessenden Lohnprozenten. Man müsste keinen Arbeitswillen vorgeben («vortäuschen»). Man müsste auch nicht mehr auf drei oder vier Ämter rennen, bis die Zuständigkeit geregelt wäre.

Hand aufs Herz: Wollen wir eine solche Grundrente tatsächlich? Um diese Frage zu beantworten, dürfen wir den Taschenrechner weglegen. Wir merken auch so, dass eine Rente von 1111 Franken im Monat wenig attraktiv ist. Mit so wenig möchten wir nie abgespeist werden. Da ist ja sogar die Sozialhilfe höher! In den meisten Fällen sind auch die AHV- und IV-Renten höher, und notfalls gibt es Ergänzungsleistungen. Ganz zu schweigen von Pensionskassen-Altersrenten, Pensionskassen-Invalidenrenten, Unfall-Invalidenrenten, kombiniert mit Witwen-, Waisen-, Kinderrenten, Hilflosenentschädigungen und so weiter.

Die Schweiz im Jahr 2006 ist vielleicht nicht gerade ein Schlaraffenland ­ aber auf anständige Renten, wenn man sie denn nötig hat, möchte niemand verzichten. Deswegen braucht es Regeln, wer wann wie viel Rente bekommt, und Beamte, welche die Einhaltung dieser Regeln kontrollieren.

Aber müssen wir deswegen gleich eine derart komplizierte Sozialbürokratie laufen lassen? Eigentlich nicht.

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