Die Produktivität der Arbeit stieg um 1,1 Prozent Entziffert 06.12.2006, Bilanz

Die Produktivität der Arbeit stieg um 1,1 Prozent
Entziffert 06.12.2006, Bilanz
__ Heute wollen wir uns einer Kennzahl widmen, die uns alle angeht: der Produktivität unserer Arbeit. Diese soll steigen, bitte. Dann dürfen wir mehr Lohn verlangen, oder wir müssen etwas weniger lang arbeiten. Beides passt uns sehr.Und wie erreichen wir eine höhere Produktivität? Ganz einfach. Indem wir a) mehr Sachkapital einsetzen, also bessere Maschinen oder Roboter für uns arbeiten lassen. Oder indem wir b) mehr Humankapital einsetzen, uns also besser ausbilden, uns Kompetenzen aneignen. Oder indem wir c) den technischen Fortschritt besser ausnützen. Vom Internet können heute alle Menschen profitieren, so wie zu Beginn der Industrialisierung alle Menschen von der Erfindung der Elektrizität profitiert haben.Am schnellsten steigt die Produktivität in China. Dort wächst alles: das Sach- wie das Humankapital, und der technische Fortschritt wird sofort angewendet, was insgesamt die chinesische Volkswirtschaft um zehn Prozent (pro Jahr!) aufgehen lässt. In der Schweiz, wo die Produktivität schon hoch ist, ist es etwas schwieriger, diese weiter zu steigern. Hierzulande wuchs die Wertschöpfung pro Arbeitsstunde von 1991 bis 2004 nur gerade um 1,1 Prozent im Jahresdurchschnitt. Das war zu wenig: «Hier liegt der Schlüssel zu mehr Wachstum», sagt Aymo Brunetti, der Chefökonom im Volkswirtschaftsdepartement in Bern. «Wir müssen die Produktivität der Arbeit steigern.»Wie das geht, haben die Amerikaner vorgemacht. In den USA ist die Produktivität pro Arbeitsstunde von 1970 bis 1995 ähnlich schwach gewachsen wie in der Schweiz, nämlich um jährlich 1 bis 1,5 Prozent. Dann kam es ums Jahr 1995 zum Trendbruch. Und seither wächst die Arbeitsproduktivität in den USA um 2 bis 3,5 Prozent im Jahr. Was denn ist 1995 in Amerika passiert, was in Europa, speziell in der Schweiz, nicht passiert ist?

Über diese Frage haben viele Leute nachgedacht. Die Antwort lautet im Wesentlichen: Die Produktivität stieg nicht wegen a) oder b), sondern weil die Amerikaner c) mehr aus dem technischen Fortschritt herausholen. «In den USA wenden nicht nur Wissenschaftler und Ingenieure die neuen Informationstechnologien an, dort haben diese auch den Alltag von Krankenschwestern, Automechanikern und Fabrikarbeitern erfasst», das sagt Notenbankpräsident Ben Bernanke, das sagt der ehemaligen McKinsey-Berater William W. Lewis in seinem Buch «The Power of Productivity», das in der renommierten University of Chicago Press erschienen ist. Das sagt aber auch Aymo Brunetti in Bundesbern: «Die Firmen in der Binnenwirtschaft, der Detailhandel, die Bauindustrie müssen produktiver werden, so wie Wal-Mart in den USA.»

Als der Trend 1995 in den USA gekehrt hatte, bemerkte das allerdings niemand. Erst im Nachhinein wurde klar: Vor 1995 war das Wachstum schwach, seit 1995 ist es stark. Im Jahr 1995 aber dachten alle, die Konjunktur laufe einfach etwas besser, sodass die Maschinen etwas besser ausgelastet seien.

Genau so denken heute viele Leute in der Schweiz. Dank der besseren Konjunktur seien die Kapazitäten etwas besser ausgelastet, das sei schon alles.

Oder hat sich tatsächlich etwas Fundamentales verbessert? Es besteht zumindest Anlass zur Hoffnung. So wie in den USA um 1995 könnte in der Schweiz zehn Jahre später ein Produktivitätssprung stattgefunden haben. Wir setzen zwar nicht unbedingt a) mehr Sachkapital ein, dafür aber b) mehr Humankapital. Und zwar ganz einfach deshalb, weil so viele gut ausgebildete Einwanderer vor allem aus Deutschland zuwandern, was möglich geworden ist dank der neuen Personenfreizügigkeit mit der EU, der wohl klügsten wirtschaftspolitischen Massnahme der Neuzeit. Und: Wir Schweizerinnen und Schweizer sind c) endlich auch ins Internetzeitalter eingetreten, dank ADSL.

«Das sind bis jetzt Hypothesen», warnt Aymo Brunetti. «Ob das stimmt, werden wir erst in fünf Jahren beurteilen können.»

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