Jürg Maurers Anlagetipps

Der «frechste Pensionskassenverwalter der Schweiz» zum Börsenjahr 2007
04.01.2007, Weltwoche

Die Frage, wie man Brot bäckt, wird am besten von einem Bäcker beantwortet, die Frage, wie man Geld macht, am besten von einem Milliardär. Dieser Satz stammt vom New Yorker Immobilienhai Donald Trump. Aber wir bleiben in Zürich, nehmen das 11er-Tram die Forchstrasse hinauf zur Endstation. Dort treffen wir keinen Milliardär, sondern einen Mann, der es privat innert Kürze von null auf siebzig Millionen gebracht hat. Immerhin.Reich geboren ist er nicht. Angefangen hat er als gewöhnlicher Banklehrling, dann als gewöhnlicher Angestellter bei der UBS. Mit 25 machte er in Aarau das eidgenössische Bankfachmann-Diplom und durchlief danach verschiedene Kaderstufen. Mit 36 wechselte er zum Industriekonzern Rieter in die Ostschweiz. Dort kümmert er sich um die Vermögensanlagen der Firma und der Pensionskasse. Diese Pensionskasse floriert so gut wie kaum eine andere: Ihr Deckungsgrad liegt bei 160 Prozent. Aber ihr Verwalter hat deswegen nie verdient wie ein Spitzenmanager. Sein Salär beträgt heute 240000 Franken; hinzu kommt ein Bonus in derselben Grössenordnung, gegen oben fix beschränkt. Sein Name: Jürg Maurer. Seine Villa mit Park, Hallenbad und Saunalandschaft: kennt jeder Blick-Leser.Wir fragen: Wie geht das? Können auch wir so schnell so reich werden wie Jürg Maurer? Welche Tipps hat er fürs Börsenjahr 2007?

Da müsse er uns enttäuschen, ein Allerweltsmittel habe er nicht anzubieten. «Wer im Jahr 15 Prozent Rendite verspricht, ist immer unseriös.» Stattdessen redet Jürg Maurer von den Hausaufgaben, die ein jeder machen müsse, ein jeder für sich. «Die Finanzanlage ist ein brutales Geschäft, am Ende eines jeden Tages kann man messen, was man erreicht hat und was nicht.» Seit 18 Jahren macht er nun «seine Hausaufgaben» beim Industriekonzern Rieter, 15-mal habe er mit seiner Anlagepolitik den Aktienindex geschlagen. Eine noch bessere Bilanz kann vielleicht Warren Buffett vorlegen; aber wer sonst? Prompt nennt er den amerikanischen Superinvestor als Vorbild. Er habe zwar kein Buch von Buffett gelesen, aber Auszüge.

In Winterthur leitet Maurer ein Team mit 3,5 Stellen, verwaltet 1,2 Milliarden Franken, liest jeden Morgen drei, vier Zeitungen, hat Börsennachrichtendienste abonniert, studiert die Analysen der Research-Abteilungen, pflegt persönliche Kontakte, geht an Präsentationen, führt Interviews mit dem Management, vor allem wenn es sich um kleinere Firmen in der Schweiz handelt: «Ich will das Gefühl bekommen für die Gesellschaft.» Ja, er sei ein stock picker, er wähle immer einzelne Aktien aus. Selber. Es habe ihm noch nie eingeleuchtet, fixfertige Körbe mit vielen Aktien oder gar Körbe mit allen Aktien (Index-Anlagen) zu kaufen. In jedem Markt, den er studiere, finde er Aktien, an die er nicht glaube, in die er nicht investieren wolle. Also pickt er lieber diejenigen Titel heraus, an die er am meisten glaubt. Findet er die richtigen, schlägt er den Index. «Ich sage immer: Wenn ich fünf Jahre lang schlechter bin als der Index, dann muss Rieter auf das excitement verzichten, mich zu beschäftigen.»

Das Wort excitement tönt an: Wären wir keine Journalisten, wären wir privat in seiner Villa «Himmelrich» über dem Bodensee zu Gast, so wäre das Gespräch womöglich aufregender. Aber wir befinden uns in Zollikon über dem Zürichsee im geräumigen Wintergartenbüro seiner PR-Beraterin. Und hier ist Jürg Maurer das exakte Gegenteil von «frech»: Er wolle doch nur den Lohn wert sein, den er verdiene, sagt er. Also müsse er auf den Geldanlagen von Rieter mehr Rendite herausholen, als eine gewöhnliche Bank erwirtschaften würde. Schaffe er das nicht, müsse man ihn feuern.

Nur nicht nervös werden

«Herr Maurer, uns Kleinanlegern sagt man oft, wir sollten gar nicht erst versuchen, klüger zu sein als die Profis. Sobald wir unser Geld schön parallel zum Aktienindex anlegen, seien wir immerhin so gut wie die Profis im Durchschnitt. Wem sollen wir nun glauben?»

Er sei nicht mehr Bankberater, antwortet Jürg Maurer. Jeder müsse selber wissen, welche Risiken er eingehen könne und wolle. Das hänge vom Alter ab, von den Familienverhältnissen, von den Präferenzen. Beiläufig sagt er: «Man kann 1 000 000 Franken auch in fünfzig verschiedene Titel anlegen und damit versuchen, reich zu werden ­ nur habe ich das noch nie versucht.» Das heisst wohl: Wir sollten uns konzentrieren ­ auf ein paar wenige Aktien.

Aber auf welche? Das ist der kritische Punkt, und hier schweigt Jürg Maurer. «In der Bilanz geben Marc Faber oder René Braginsky ihre Tipps. Das sind Privatinvestoren, die dürfen so etwas.» Als institutioneller Anleger dürfe er das nicht. Sonst werfe man ihm noch vor, er wolle via Weltwoche einzelne Kurse hochtreiben.

Was er uns hingegen sagt: Das Jahr 2007 dürfte «ein gutes Börsenjahr» werden. «Zwar wird es nicht nur aufwärtsgehen, sondern auch gewisse Korrekturen geben.» Die Risiken seien «deutlich höher» als vor zwei Jahren. Trotzdem könne man mit Aktien wohl am meisten Geld verdienen, gerade in der Schweiz, wo die Konzerne so international tätig sind. Bei der Titelsuche müsse man ­ wie immer ­ die Trends erkennen, an diese Trends glauben und nicht bei jedem Taucher nervös werden. Welche Trends erkennt er jetzt? Er glaube weiterhin an den Medizinalsektor. «Wenn Sie da investiert waren, haben Sie bis jetzt viel Geld verdient. Das könnte so weitergehen.» Zudem setzt er auf Life-Sciences, gewisse Biotechnologie-Firmen, deren Auswahl für Laien tatsächlich abenteuerlich sei, weswegen er ausnahmsweise Fonds oder Beteiligungsgesellschaften empfiehlt. Von Immobilien rät er ab, «zu teuer ­ nicht nur in den USA, auch bei uns». Auch die Aktien der Banken meidet er zurzeit, weil er die Zinsen leicht im Steigen sieht und die Immobilienpreise kurz vor dem Fallen. Solaraktien oder Internetaktien rührt er gar nicht erst an: Er sei ein «Value-Investor», halte lieber klassische Schweizer Industriewerte. «Beim Internet-Boom habe ich kein Geld verdient, aber auch keines verloren.»

So weit seine Einschätzung für das Jahr 2007: ziemlich unspektakulär. Mit diesen Tipps werden wir es nie schaffen, so schnell so reich zu werden wie er. Was unterscheidet uns von ihm?

«Privat», sagt Jürg Maurer, «bin ich mit hundert Prozent in Aktien investiert, manchmal auch mit mehr.» Mit «mehr als hundert Prozent» meint er: Er kauft Optionen. Die haben eine Hebelwirkung. Verdoppelt sich der Kurs einer Aktie, explodiert der Wert der Option. «Wenn Sie 100 000 in Optionen investieren, können sie 100 000 verlieren, mehr nicht ­ aber Millionen gewinnen.» Der Satz bedeutet: Jürg Maurer setzt auf steigende Kurse; würde er auf sinkende Kurse spekulieren, wäre das Verlustrisiko unendlich. «Ich bin relativ schlecht in Short-Positionen», bestätigt er. «Ich glaube immer ans Gute, ans Positive.» Grundsätzlich ist er bullish. Vielleicht nicht immer, aber meistens. Geht die Börse nach oben, wird Jürg Maurer dank seinem Händchen für die richtigen Optionen reich. Die einzigen drei Mal in den letzten 18 Jahren, in denen er schlechter abschnitt als der Index, waren drei Jahre der Baisse: 1994, 2001 und 2002.

Die Strategie des Privatmanns Maurer ist ­ wir müssen warnen ­ gewagt. Er warnt gar vor sich selber: «Die Erfolge der Vergangenheit sind keine Garantie für die Zukunft.» Und nie vergessen: Es komme immer auf den Einzelfall an, welche Risiken man eingehen wolle und könne.

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