Steuererklärung per Postkarte

Zur FDP-Initiative «Easy Swiss Tax» 04.01.2007, Weltwoche

«Das geht nicht», meinte Kaspar Villiger. Dann versorgten ihn seine Parteikollegen aus Zürich mit den Unterlagen zur «Easy Swiss Tax», Villiger studierte sie ­ und war begeistert. «Schade, dass ich nicht mehr Finanzminister bin, ich würde gerne mithelfen, das zu realisieren», sagte er neulich in einem Zürcher Gasthaus. Mit am freisinnigen Tisch: alt Bundesrat Rudolf Friedrich, das Thurgauer Urgestein Ernst Mühlemann und Hans-Peter Portmann, Kantonsrat aus Kilchberg. Er ist der Motor hinter der Easy Swiss Tax.Die Zürcher FDP, der man seit Jahren den Untergang prophezeit, sammelt nun Unterschriften zu einem Thema, das der Freisinn fahrlässig aus den Händen gab: Steuern. «Wir erhalten positive Signale aus der ganzen Schweiz, auch aus dem Welschland», erfährt Portmann. In Baselland ist FDP-Vize Michael Herrmann aktiv, ein Befürworter der Flat Tax mit eigener Homepage (www.flattax.ch), der heute anmerkt: Die Flat Tax war wohl in der Slowakei umsetzbar, kaum in der Schweiz. Das Modell der Zürcher FDP halte er dagegen für «gelungen» und «machbar» ­ weil es zum hiesigen Steuerwettbewerb passe, das System trotzdem radikal vereinfache und die Tarife stark verflache.Zur Easy Swiss Tax braucht es nur drei kleine Schritte ­ aber für die ganze Schweiz wäre es eine gewaltige Reform.

Erstens nehme man all die unzähligen Abzugsmöglichkeiten, die es heute gibt, also den Abzug für den Arbeitsweg, den Abzug für die Versicherungsprämien, denjenigen für die Mahlzeiten, für die Aus- und Weiterbildung (wo genau liegt der Unterschied?), die Kinderkrippe und alle andern auch. Dann streiche man sämtliche diese Abzüge. Statt dieser vielen kleinen Reduktionsmöglichkeiten wird neu eine Pauschale eingeführt, die für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind gilt und für die es keinen einzigen Beleg braucht. Ein Paar mit zwei Kindern darf dann pauschal 60 000 Franken abziehen (oder auch 70 000 oder noch mehr, je nach Modell).

Davon profitieren die kleinen Einkommen. Sie werden durch diese grosszügige Pauschale von der Steuer befreit. Das ist für Putzfrauen und andere Working Poors eine frohe Botschaft, zurzeit werden sie ja geradezu in die Schwarzarbeit gezwungen: um Steuern zu sparen, vor allem aber, um Subventionen für Krankenkassen oder andere Sozialhilfen zu ergattern (was absurd ist: Da zieht der Staat den Leuten das Geld aus der linken Hosentasche heraus, in Form von Steuern, um es ihnen später in die rechte Hosentasche zurückzustopfen, in Form von Subventionen).

Zweitens ersetze man die heutige Progression durch einheitliche Steuersätze. Zwei, allenfalls drei Stufen sollen geschaffen werden. Konkret bedeutet das: Dank der hohen Pauschale ist der erste Teil des Einkommens steuerfrei. Der nächste Teil wird sanft besteuert; die nächsten 90 000 Franken der steuerbaren Einkünfte könnten bei der Kantons- und Gemeindesteuer mit 12 Prozent belangt werden; alles, was darüber hinausgeht, dann mit 22 Prozent. Einen «Solidaritätszuschlag» nennt es FDP-Mann Portmann. Entscheidend ist, dass die Kantone und Gemeinden diese Einheitstarife und die Stufen festlegen.

Von einem zweistufigen Einheitssteuersatz profitiert der Mittelstand. Er geniesst zuerst den Pauschalabzug, dann eine sanfte Steuerbelastung. Und die Spitzenverdiener? Sie werden gleich behandelt; sie erhalten denselben Pauschalabzug, zahlen für die nächsten 90000 Franken ebenfalls 12 Prozent, erst auf den letzten Einkommensteilen zahlen sie 22 Prozent ­ aber in keinem Fall mehr. «Wir müssen dafür sorgen, dass sich die zusätzliche Leistung wieder lohnt», sagt Portmann, als wäre er ein Reformer aus der Slowakei.

Der dritte Schritt ist neu, ja sogar aus osteuropäischer Sicht innovativ: Man führe beim Vermögen eine Soll-Kapitalrendite-Besteuerung ein. Das klingt kompliziert, ist aber simpel. Demnach müssen wir in unserer Steuererklärung den Saldo des Vermögens auf das Jahresende hin deklarieren. Der ganze Rest fällt weg ­ und damit rückt auch der Traum von der Steuererklärung per Postkarte nahe. Auf diesen Vermögenssaldo rechnet das Steueramt eine Soll-Rendite aus, die etwa dem Mindestzins bei den Pensionskassen entsprechen könnte. Konkret: Ein Vermögen von 500 000 Franken führt bei einer Soll-Rendite von zurzeit 2,5 Prozent zu einem steuerbaren Jahreseinkommen von 12 500 Franken.

Damit müssten zwar alle Vermögenden etwas abgeben; gleichzeitig motiviert diese neue Steuer aber zu echtem unternehmerischem Handeln: Wer höhere Risiken eingeht und höhere Renditen, Dividenden etc. erzielt, darf diese Gewinne für sich behalten. Gerade für Selbständige, die ihr Kapital in die eigene Firma platzieren, wäre dies sehr interessant. «Das gibt einen gewaltigen Wachstumsschub», ist Portmann überzeugt. Sogar das Privileg der Säule 3a liesse sich elegant erhalten: Den Steuerabzug müsste man zwar streichen, in der Easy Swiss Tax hat es keinen Platz für Sonderabzüge. Weil aber das 3a-Sparkapital nicht als Vermögen deklariert werden muss, gäbe es auch keine Soll-Rendite-Besteuerung. Der Anreiz zur privaten Vorsorge bliebe erhalten.

Das leidige Problem mit dem Wohneigentum würde sich ebenfalls in Luft auflösen. Der Eigenmietwert kann schlicht gestrichen werden, denn der Steuerwert der Liegenschaft erscheint als Teil des Vermögens, unterliegt also der Soll-Rendite-Vermögenssteuer.

Just beim Wohneigentum jedoch will die Zürcher FDP einen Sonderabzug in die Zukunft retten und eine Pauschale für Unterhalt und Renovationen einführen; das ist nicht besonders konsequent, aber das kann die FDP noch korrigieren. Dasselbe bei einem weiteren kritischen Punkt: Zwar wird im Text zur FDP-Standesinitiative «das Stopfen der Steuerschlupflöcher» versprochen, aber zu den exorbitanten Pensionskasseneinkäufen, die heute toleriert werden, sagt Portmann kein Wort, ausser: «Das müsste man dann prüfen.»

Entscheidend ist: Die Richtung stimmt. Das System Easy Swiss Tax ist eine längst fällige Antwort auf die Flat-Tax-Offensive in Osteuropa. Denn auch bei uns muss das Steuersystem vereinfacht werden, radikal. Auch bei uns müssen die Tarife verflacht werden, spürbar. Beides kann gelingen, wenn die heutigen «Steuerschlupflöcher» (O-Ton der FDP Zürich) gestopft werden.

Dieser Plan kann politisch sogar mehrheitsfähig sein. In Zürich hilft der Gewerbeverband kräftig mit, Unterschriften zu sammeln; ihm geht es um den dringend nötigen Abbau der ausufernden Steuerbürokratie. Und sogar die Linke verfolgt das Thema aufmerksam: «Die Steuerschlupflöcher sind zu beseitigen, die Abzugsmöglichkeiten drastisch zu reduzieren», schreiben Simonetta Sommaruga und Rudolf Strahm in ihrem Reformbuch und zeigen sich kompromissbereit, im Gegenzug die heutigen Spitzensteuersätze zu senken. Das neuste Signal kommt aus Basel. Beat Jans, ein Umweltwissenschaftler und Sozialdemokrat, schreibt in seinem Vorstoss an die Basler Regierung: «Die Easy Swiss Tax bietet auf den ersten Blick so viele Vorteile, dass es sich lohnt, sie genau zu prüfen.» Koni Löpfe, Präsident der SP Zürich, schreibt genau dasselbe.

All das macht Mut: Die grosse Reform könnte gelingen. Sofern der Zürcher Freisinn jetzt alle Kräfte darauf konzentriert, sich wieder mit einem Thema beschäftigt, das urfreisinnig ist ­ und das Projekt Easy Swiss Tax mit voller Kraft vorantreibt.

Weltwoche-Autor Markus[100] Schneider[100] hat in seinem «Weissbuch 2004» (Weltwoche-Verlag) unter anderem auch das Konzept der Flat Tax vorgeschlagen.

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