Jedes Jahr gibt es 10 000 neue Schweizer Bücher

Entziffert 19.01.2007, Bilanz

Heute wollen wir uns fragen, warum so viele Bücher erscheinen. Hinter jedem Manuskript stehen Arbeit, Fleiss, Wille, Ausdauer, Überzeugung, Mut und vieles mehr. Das wissen alle, die schon mal ein Buch schreiben wollten. Die wenigsten schaffen es, nur schon einen Verlag zu finden. Die meisten, die einen Verlag finden, erwachen danach: Ihr Buch verkauft sich kaum. Einziger Trost für die Autoren: Ihr Werk bleibt für die Ewigkeit. Die Schweizerische Landesbibliothek in Bern sammelt das gesamte einheimische Schaffen: jedes Jahr 10 000 neue Bücher, die auf Deutsch, Italienisch, Französisch und Rätoromanisch erscheinen. Aber Geld verdienen vielleicht 100 dieser 10 000 Autoren.Einer, der es sogar geschafft hat, mit einem Buch reich zu werden, heisst Napoleon Hill. «Think and Grow Rich», hiess der Titel seines Buches, das 1937 erschien und sich bis heute verkauft, auch auf Deutsch («Denke nach und werde reich»). Es war eine Ansammlung von Ratschlägen, die von erfolgreichen Menschen stammen, inhaltlich nahe verwandt der «Kraft des positiven Denkens». Und da Hill ein Amerikaner war, der über ein universelles Thema schrieb ­ Wie werde ich reich? ­, verkaufte sich sein Buch laut seinen Nachlassverwaltern bis heute 60 Millionen Mal.Ist der Heimmarkt gross genug, braucht es den Weltmarkt nicht unbedingt. Die Eltern von Yiting Liu schrieben etwas, was sie ausserhalb von China nirgends verkaufen können, in China aber innert kürzester Zeit drei Millionen Mal. Thema war ihre Tochter Yiting. Ihr gelang, wovon alle jungen Chinesinnen und Chinesen träumen: Sie brachte es als Studentin bis an die Harvard University in Cambridge, Massachusetts. Flugs schrieben ihre Eltern einen Ratgeber, in dem sie die Rezepte preisgaben, mit denen andere chinesische Eltern dieses Kunststück ebenfalls schaffen könnten.

«Viele chinesische Eltern lassen ihre Kinder spielen, bis sie sechs Jahre alt sind», schreibt Vater Zhang. Er aber habe bei seiner Tochter Yiting schon mit der Ausbildung angefangen, als diese fünfzehn Tage alt war. Sie bekam Massagen, die ihre Sinne stimulieren sollten. Verwandte wurden gerufen, um während jeder wachen Stunde nonstop mit dem Kind zu reden, denn dieses verbale Sperrfeuer sei «entscheidend für die Entwicklung des IQ», ergänzt Mutter Weihua. Ab drei Jahren musste Yiting im Haushalt helfen, bald darauf wurde sie zu kilometerlangem Schwimmen angehalten. Durfte ihre Tochter einmal sitzen, musste sie Tagebuch führen und darin ihr Verhalten analysieren. ­ Das Buch zu dieser Kindheit belegte 16 Monate lang Platz 1 auf der chinesischen Bestsellerliste.

Mit dem richtigen Thema kommt man sogar im Minimarkt Schweiz an. Es gibt mindestens einen erfolgreichen hiesigen Sachbuchautor. Norbert Winistörfer heisst er, war früher Journalist beim «Beobachter», ist heute Leiter des Instituts für Unternehmenskommunikation an der Fachhochschule für Wirtschaft in Olten. Sein Rezept bestand in der Darlegung einer Gebrauchsanweisung, die einem breiten Publikum Erfolg verspricht: «Ich mache mich selbständig», heisst Winistörfers Ratgeber, der im Beobachter Verlag erschienen ist und sich bis jetzt 120 000-mal verkauft hat.

Bleibt die Frage: Warum versuchen sich so viele Leute in der Schweiz im Büchergeschäft, wenn nur die allerwenigsten von ihnen eine Chance auf Erfolg haben? Weil es nicht aufs Geld allein ankommt. Sondern darauf, etwas zu erschaffen. Das Leben ist von Geburt an ein ständiger Prozess von Trial and Error, ein Prozess des Versuchens, des Scheiterns und dadurch des Klügerwerdens.

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