Chance verpasst

Zur FDP-Steuerpolitik 25.01.2007, Weltwoche

Selbstverständlich soll man das Problem an den Wurzeln packen. Auch darf, wer freisinnig tickt, das Undenkbare formulieren. Zumindest auf dem Papier geht das schnell.In der Realpolitik wird es dann schwieriger. Es ist ja nicht der erste Versuch von freisinniger Seite, die direkte Bundessteuer abzuschaffen. Vor bald zwei Jahrzehnten hat der Direktor des Gewerbeverbands und heutige FDP-Nationalrat Pierre Triponez den ersten Versuch gestartet, sogar eine Volksinitiative eingereicht mit allen nötigen Unterschriften. Dann kamen reihenweise bürgerliche, darunter viele freisinnige Politiker daher, um Triponez zu bitten, seine Initiative still zurückzuziehen. Triponez und seine letzten Mitstreiter auf der rechten Seite gehorchten.Nun fordern ein paar junge, eloquente, elegante Herren der FDP-Sektion Genf, überraschend unterstützt von einer Mehrheit der nationalen Delegierten, eine Neuauflage: Die direkte Bundessteuer soll abgeschafft und zur Kompensation die Mehrwertsteuer verdoppelt werden.

Warum diese Idee in einer direkten Demokratie schwierig umzusetzen sein wird, zeigt schon eine simple Hochrechnung: Bei der direkten Bundessteuer zahlen die unteren fünfzig Prozent der Haushalte nichts oder fast nichts ­ und die obersten zehn Prozent praktisch alles.

Das grosse Problem der direkten Bundessteuer besteht aus der überaus scharfen Progression, welche beim oberen Mittelstand einsetzt und diesen für jede zusätzliche Leistung bestraft. Darunter leiden viele Familien, die bei einer Heirat erst noch extra bestraft werden. All das wird seit Jahren kritisiert ­ aber die FDP hat es trotz ihren Finanzministern (Kaspar Villiger, Hans-Rudolf Merz) verpasst, bis jetzt eine Lösung zu präsentieren.

Nun hätte die FDP Zürich ein probates Mittel zur Hand: die Easy Swiss Tax. Mit ihr würden die direkten Steuern zwar nicht abgeschafft ­ aber das System würde endlich vereinfacht, die Tarife stark verflacht auf zwei, drei Stufen. Zudem soll ein einziger, genügend hoher Pauschalabzug geschaffen werden, damit die untere Hälfte der Bevölkerung weiterhin steuerfrei davonkäme.

Dieses Vorhaben einer Easy Swiss Tax ist utopisch genug. Es wäre schön gewesen, wenn sich die gesamte FDP hinter diese Idee gestellt hätte. Stattdessen haben die Delegierten nun einem Vorschlag zugestimmt, der so utopisch ist, dass sich die FDP bald selber abschafft.

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