Daniel Vasella ist kein Roger Federer

Ein Image-Problem? 01.03.2007, Weltwoche

Wäre Daniel Vasella ein Fussballer, würde man sagen, er sei ins Abseits gelaufen. Nun ist Daniel Vasella aber Chef von Novartis und ein ausgebildeter Mediziner, den die Finanzjournalisten wieder häufiger mit «Doktor Vasella» betiteln, was wohl nur ironisch gemeint sein kann. Sogar in Wirtschaftszirkeln rund um die Bahnhofstrasse gilt Vasella nicht mehr als der «Super Dan», der er einmal war.Beim Volk war er noch nie beliebt. Er machte sich unpopulär, weil er gleich bei der Fusion zur Novartis 12000 Leute entlassen wollte (in Wahrheit baute er viel weniger ab). Bald übernahm er auch noch das Amt des Präsidenten, seither kontrolliert er sich als CEO quasi selber. Und wäre es nach den Statuten gegangen, wäre seine Amtszeit auf 12 Jahre beschränkt gewesen und liefe in spätestens zwölf Monaten ab; doch inzwischen liess Vasella den Paragrafen ändern.

Erneut Kritik hageln wird es an der Generalversammlung der Novartis vom kommenden Montag. Als bestbezahlter Pharmamanager hat Vasella ein Image-Problem. Als Einzelsportler hingegen stünde er wohl makellos da. Roger Federer darf, Fernando Alonso darf, Tiger Woods darf auch: So viel verlangen, wie herauszuholen ist. Auch Kulturschaffende dürfen für ihre Performance, sofern sie denn gelingt, extrem viel Bares verdienen.

Frage an den Ökonomen: Warum verabscheut das Publikum hohe Löhne bei Managern, nicht aber hohe Löhne bei Sportlern oder Kulturschaffenden? «Weil diese Löhne auf Leistungen beruhen, welche die Künstler selbst erbracht haben», antwortet Bruno S. Frey, Professor der Uni Zürich. «Bei den Managern hingegen handelt es sich eindeutig um Leistungen, die nur innerhalb der Firma und in Zusammenarbeit mit einer grossen Zahl anderer Personen erreicht werden. Die Belohnung nur einer kleinen Zahl und häufig auch nur einer Person erscheint deshalb als stossend.»

Stürmer brauchen Pässe

Vasella ist nicht der Lead-Sänger der Rolling Stones, sondern der oberste Angestellte eines 90000-Mitarbeiter-Konzerns. Also muss er ein Teamplayer sein. Im Mannschaftssport nämlich, so hat Starökonom Bruno S. Frey mit seinem Team in einer neuen Studie über die deutsche Bundesliga herausgefunden, gelten andere Regeln. Im Profifussball ist die Mannschaft der Star. Sobald hingegen einzelne Spieler in harten Verhandlungen erreichen, dass sie Stargehälter verdienen, sinke die Leistungsbereitschaft der übrigen Teamkameraden. «Eine Erhöhung des Einkommens eines Mannschaftskollegen wird als Abwertung der eigenen Leistung angesehen.» Selbstverständlich sind Pharmakonzerne nicht unmittelbar mit Fussballmannschaften zu vergleichen, dennoch ziehen die Ökonomen interessante Parallelen: «Wie beim Fussball ein Stürmer nur dann Tore schiesst, wenn er entsprechende Vorlagen erhält, ist auch ein Manager auf seine Kollegen im Führungsgremium angewiesen.»

Zudem lief Daniel Vasella selber ins Abseits, als er vor sechs Jahren begann, im Namen der Novartis Inhaberaktien der Roche aufzukaufen ­ gegen den Willen der Roche-Familieneigentümer. Damit hat sich Vasella aktiv in ein Duell manövriert: Novartis vs. Roche. Just da wird er nun «angezählt», um es in der Boxersprache zu sagen.

Unsportlichkeit wird bestraft

Als oberster Novartis-Chef verdient er klar mehr als der oberste Roche-Chef. Dass die Roche-Chefs insgesamt etwas bescheidener zulangen («bescheiden» im Vergleich zu Novartis), scheint sich positiv auf die Leistung des ganzen Teams auszuwirken. Denn Roche läuft nicht nur gut, sondern besser als Novartis. Es erzielt bei geringerem Umsatz mehr Gewinn. Vor allem aber stieg der Roche-Aktienkurs in letzter Zeit stetig an, während die Novartis-Aktie übers letzte Jahrzehnt gesehen kaum vom Fleck kam.

Mindestens ebenso schwer wiegt, dass Vasella seinen hohen Lohn absichern liess. Drei Jahre lang möchte er weiterverdienen, falls er entlassen würde; fünf Jahre lang möchte er weiterverdienen, falls Novartis von einem fremden Konzern übernommen würde. Das sind «goldene Fallschirme», wie sie bei seinem Konkurrenten Roche unbekannt sind ­ und die auch vom Publikum grossmehrheitlich als «unsportlich» empfunden werden.

Inzwischen reden einzelne Figuren, die selber ganz ordentlich Geld verdienen, ja sogar in der Bilanz-Liste der «300 Reichsten» auftauchen, schlecht über den Novartis-Allmächtigen. Off the record tönt das etwa so: Stelle man den Kursgewinn, den Novartis dank der Beteiligung an Roche erzielt habe, in Rechnung, so erkenne man, dass «Doktor Vasella» bei Novartis kein Kapital vermehrt, sondern solches «vernichtet» habe. Die Rechnung stimmt nicht ganz, aber sie belegt aufs Neue, wie verloren Vasella heute auf dem Platz steht.

So gesehen herrschen im Fussball fast Friede, Freude, Eierkuchen. Beim lokalen Verein in Basel agiert eine Roche-Erbin als Präsidentin und Financière, während der Name Novartis die Leibchen ziert. Freilich ist es schon eine Weile her, dass dieser Klub in der Champions League mitspielte, weswegen es auch kein Wunder ist, dass einige Stars den Klub verlassen mussten. Im Sport laufen solche Wachablösungen etwas schneller als in der Wirtschaft.

Übersicht