Wir sind autonom

Kolumne 02.03.2007, Bilanz

Warum wohnen Formel-1-Fahrer so gerne in der Schweiz? Weil dies lauter Ausländer sind, die in der Schweiz nie, aber wirklich nie in Versuchung geraten, arbeitstätig zu werden. Damit erfüllen sie bereits beide Bedingungen, um in der Schweiz pauschal besteuert zu werden. Und wenn pauschal besteuerte Popstars ausnahmsweise trotzdem in der Schweiz auftreten wollen, müssen sie dies halt als Benefiz-Konzert tarnen; so sparen sie Steuern und fördern ihr Image.Auf einem andern Blatt steht geschrieben, warum ein Schweizer Kanton sich ausgerechnet für diese Form eines Steuerprivilegs stark machen soll. Schweizweit gibt es gut 3000 pauschale Steuerabkommen, gut 1000 entfallen auf den Kanton Waadt, der sich ganz offensichtlich besonders stark um diese Klientel bemüht. Doch was hat die Waadt damit erreicht? Dass Michael Schumacher, Phil Collins oder Ingvar Kamprad am Ufer des Genfersees eine Villa bezogen haben und seither ihre fixen Steuerpauschalen entrichten -­ aber sonst wenig bis nichts. Denn damit zieht die Waadt systematisch die «Falschen» an: Leute, die hierzulande nicht arbeiten dürfen, die keine Werte schöpfen dürfen, die sich nicht anstrengen dürfen, nicht erfolgreich sein dürfen, also auch nicht mehr Steuern zahlen dürfen als ihre zum Voraus festgelegten Pauschalen. Dass der umtriebige Firmenaufkäufer Viktor Vekselberg in Zürich als pauschal Besteuerter durchging, muss wohl als «Betriebsunfall» bezeichnet werden. Insgesamt ist eine solche Politik, um es zurückhaltend auszudrücken, eher dumm.

Eine andere Form des Steuerprivilegs besteht darin, die Ansiedlung neuer Unternehmen mit tiefen oder sogar keinen Steuern in den ersten fünf bis zehn Jahren zu fördern. Hier hat sich Neuenburg in der Schweiz besonders hervorgetan. Die ernüchternden Folgen wurden in mehreren mit Steuergeldern finanzierten Studien sauber dokumentiert: Gewisse ausländische Firmen ziehen nach Neuenburg. Aber nur solche, die auf kurzfristige Vorteile schauen. Läuft die Frist ab, ziehen die Firmen weiter -­ zum nächsten Ort, der sie mit einer Steuerbefreiung ködert. Konzerne sind flüchtig wie auch der in Gstaad pauschal besteuerte Alt-Rocker Johnny Hallyday, der inzwischen nach Monaco weiterziehen will, weil er dort noch gastlicher besteuert wird.

Eine weitere Attraktion, die Schweizer Kantone anzubieten haben, ist das Holding-Privileg. Damit werden internationale Konzerne, die hohe Gewinne im Ausland erzielen, angelockt, ihren Sitz in Schweizer Kantone zu verlegen. Diese Politik gelang -­ aber nicht in allen Kantonen gleich gut. Besonders gut gelang sie in den beiden Kantonen Zug und Schwyz. Warum ausgerechnet dort? Weil dort nicht nur ein paar wenige Tarife für ein paar wenige Spezialfälle tief sind, sondern alle Tarife für alle. In der Folge zügelten die in- und ausländischen Konzerne nicht nur ihre Briefkästen nach Zug oder Schwyz, sondern auch ihre tatsächlichen Firmenzentralen samt den obersten Managern. Im Gegensatz zu den pauschal besteuerten Ausländern durften diese Leute bei uns arbeiten, sich sogar anstrengen, und je mehr sie seither verdienen, umso mehr Steuern liefern sie ab, gemessen in Franken. Insgesamt ist eine solche Politik, um es zurückhaltend auszudrücken, eher klug.

Unabhängig von der EU können Schweizer Kantone weiterhin frei entscheiden, welche Strategie sie wählen. Unabhängig von der EU sollten Schweizer Kantone aber streng überprüfen, welche Strategie wem nützt und wem nicht, und zwar aus ureigenem Interesse. Dabei werden Schweizer Politiker schnell herausfinden: Letztlich funktioniert der Steuerwettbewerb überall auf der Welt genau gleich. Steuerprivilegien, die nur für ein paar wenige Auserwählte gelten, wirken kaum jemals positiv für die Allgemeinheit, weder in der EU noch bei uns in der Schweiz. Auch die holländische Öffentlichkeit spürt kaum etwas davon, dass Popstars in Holland noch fürstlicher behandelt werden als in der Waadt am Genfersee.

Wie man es besser macht, demonstrieren auf europäischer Ebene Irland oder die Slowakei, auf schweizerischer Ebene Zug und Schwyz: mit möglichst tiefen Tarifen, die für alle Unternehmen und alle Personen gelten.

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