Du bist der König Kolumne

13.04.2007, Bilanz

Als Journalist kommt man hin und wieder in Versuchung, über Dinge zu schreiben, über die so viele andere Journalisten auch geschrieben haben, und zwar seit Jahren. Am Ende ist ein Thema dann so abgelutscht wie das Thema Abzocker. Über Vasella, Ospel und Co. ist so ziemlich alles geschrieben und beklagt worden, was es zu schreiben und zu beklagen gibt; trotzdem steigen ihre Löhne immer weiter in die Höh.Just deswegen kommt man dann in Versuchung, es nochmals zu versuchen. Jetzt erst recht! Man beginnt dann zum Beispiel mit der Anprangerung der angeblich «Dummen»: der Aktionäre, die zulassen, dass ihre obersten Manager derart hohe Saläre nach Hause tragen. Das ist an sich noch kein besonders origineller Gedanke. Denn dass die Aktionäre so dumm sein sollten, dass wir sie mit besonderen Rechten ausstatten müssten, um sich besser wehren zu können, das tönt wenig überzeugend. Auch als Journalist, der kein grosser Aktionär ist, darf man den grossen Aktionären zutrauen, dass sie sich gegenüber ihren eigenen Managern durchsetzen könnten, wenn sie nur wollten.Aber sie wollen nicht. Und sie wollen nicht, weil sie nicht müssen. Die grossen Aktionäre dürfen es sich leisten, dass die obersten Manager jedes Jahr noch mehr Geld wegtragen, solange diese dafür sorgen, dass die Aktionäre ihrerseits so viel Geld verdienen. Als Josef «Victory» Ackermann, der Schweizer Chef der Deutschen Bank, ein Renditeziel von 25 Prozent vor Steuern auf das eingesetzte Eigenkapital vorgab, hat man als Journalist den Bankier mit den kühnen Vorgaben noch für verrückt erklärt. In der Zwischenzeit wird Ackermanns Ziel locker übertroffen. Im Jahr 2006 hat die UBS fast 30 Prozent Eigenkapitalrendite erreicht ­ nicht vor, sondern nach Bezahlen der Steuern. So etwas gilt inzwischen als branchenüblich.

Bei den Pharmakonzernen strebt sogar die ganz normale Umsatzrendite in Richtung ackermannsche Sphären. Ob Roche oder Novartis, beide erreichen heute auf jedem Franken, den sie umsetzen, einen Gewinn von 20 Rappen ­ offiziell publiziert, nach Abzug aller Unkosten, inklusive der unvorstellbaren Löhne der obersten Manager, inklusive der angeblich erheblichen Steuern an den Staat. Als Journalist ahnt man, dass man so eine fette Rendite im Journalismus kaum je erreichen wird, so wenig, wie ein normaler Bäcker, Gärtner, Kebabstandbetreiber davon träumen darf.

Im letzten Jahrhundert noch war das Wort «Abzocker» gemünzt auf Trickspieler in geheimen Spielrunden oder kettenbriefartigen Finanzringen. Heute ist dieses Wort derart allgegenwärtig, dass wir bald alle ­ auch Sie, liebe Leserin, lieber Leser ­ uns als «abgezockt» vorkommen müssen. Im normalen, alltäglichen Wirtschaftsleben werden Renditen im hohen zweistelligen Bereich erzielt, ein Mass, das man früher höchstens in Monopolmärkten für möglich gehalten hätte. Und damals hätten wir froh kommentiert: ein vorübergehendes Phänomen. Bald kommt neue Konkurrenz auf, um solch abartige Gewinne wieder auf ein schickliches Niveau zu drücken.

Heute, da offenbar ein neues Profitzeitalter angebrochen ist, erlaube ich mir ein persönliches Schlusswort. Nichts gegen Vasella, nichts gegen Ospel. Aber jedes Mal, wenn ich eine Apotheke oder eine Bank betrete, beschleicht mich dieses unangenehme Gefühl: Schon wieder werde ich über den Tisch gezogen. Tut mir leid, aber so fühle ich mich. Gestern habe ich mich nun dazu durchgerungen, ab sofort die Faust aus dem Sack zu nehmen. Und habe meinem Bankberater eine Mail geschrieben: Entweder seine Bank gibt mir meine variable Hypothek mit einem Achtelprozent Abschlag ­ oder ich wechsle die Bank. Siehe da, die grosse Credit Suisse gab mir den Abschlag. Heute traf ich eine Kollegin, die hatte gestern zu ihrer Krankenkasse gesagt: Entweder die Prämie sinkt für meinen Privatzusatz, oder ich verlasse die Kasse. Und siehe da, die ehrwürdige Concordia offerierte ihr einen fiktiven Volleyball-Club, in den sie eintreten musste. Und sie kriegte den Rabatt. ­ Ja, womöglich werden wir kleinlich mit dem Alter. Aber ich finde, es kann nicht schaden, wenn wir alle uns darauf besinnen, wer König ist: der Kunde.

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