Philippe Gaydoul ist kein Patriot

Kolumne 11.05.2007, Bilanz

Man lobt die «dritte Kraft», man lobt die «vierte Kraft», und man hofft immer auf das Gleiche: dass es nicht so weit kommt, dass nur noch eine «erste Kraft» und eine «zweite Kraft» übrig bleiben. Genau das droht nun aber im Schweizer Lebensmittel-Detailhandel.Bevor wir uns dieser unheilvollen Entwicklung zuwenden, folgt hier ein Exkurs quasi in eigener Sache. Es geht um den Deutschschweizer Medienmarkt, in dem ordentlich viel Konzentration, aber trotzdem genug Wettbewerb herrschen. Dank einer dritten und einer vierten Kraft. Zwar wurde diese vierte Kraft ­ die Jean Frey AG, zu der auch die BILANZ gehört ­ vor wenigen Monaten verkauft. Ins Ausland! Nach Deutschland! An Axel Springer! Aber gerade deswegen gibt es in der Schweiz diese vierte Kraft noch immer: weil sie nicht an die erste, nicht an die zweite und auch nicht an die dritte Kraft verkauft wurde.

Das ist weder selbstverständlich noch gottgewollt. TT wollte es so, der Tessiner Tito Tettamanti. Der Financier hatte schon beim Kauf der Jean Frey AG hauptsächlich eine Motivation: Er wollte verhindern, dass der Ringier-Konzern ­ die erste Kraft im Land ­ zu einem Handschlag kam, der damals praktisch schon besiegelt war. Das war vor fünf Jahren. Beim jetzt erfolgten Ausstieg des Financiers wiederholte sich exakt das gleiche Muster. «Der Verkauf von Jean Frey war keine Versteigerung», erzählte TT dem Branchenblatt «Schweizer Journalist», das aus sicherer Quelle wusste: Ringier hätte einen höheren Preis bezahlt als Springer. Ringier hätte fast jeden Preis bezahlt, um den Schweizer Markt zu bereinigen und um die drohenden deutschen Widersacher «draussen zu halten». Dies hat TT verhindert, indem er darauf verzichtete, den höchsten Preis, den er hätte erzielen können, zu realisieren. TT sagte es so: «Effektiv hatte der Verkauf an Axel Springer gewisse Vorteile zugunsten der Vielfalt und der Konkurrenz in der Presselandschaft Schweiz.»

So weit die Geschichte des kleinen, nunmehr «deutschen» Jean Frey Verlags, der vierten Kraft im Deutschschweizer Medienmarkt. Vielleicht wird er ja bald zur dritten Kraft, hat doch Michael Ringier kürzlich angetönt: «Wenn wir in eine Lage kommen, in der eine Fusion unser Unternehmen einen grossen Schritt weiterbringen würde, würden wir uns das sehr genau anschauen.» Konkret könnte sich die erste Kraft (Ringier) zum Beispiel mit der zweiten (Tamedia) zusammenschliessen, womit die jetzige dritte Kraft (NZZ) zur zweiten würde, ergänzt durch den Springer Jean Frey.

Und jetzt zum Detailhandel, wo noch Grösseres angekündigt ist. Dass nämlich die einstige dritte Kraft an die erste verkauft werden soll. Auch dies ist weder selbstverständlich noch gottgewollt. Philippe Gaydoul wollte es so, der Denner-Erbe, der sich in der Öffentlichkeit zu einem Anti-Tettamanti aufspielt ­ oder, wie es Gaydoul wohl selber sagen würde, zum Patrioten. «Es kommen Giganten ins Land, die in einer anderen Liga spielen», warnte Gaydoul an der Pressekonferenz, als er seinen Deal mit der Migros verkündete, um sich just gegen diese ausländischen «Giganten» (Aldi, Lidl, Carrefour) besser wehren zu können. Diese Absicht dürfte leider bestens umgesetzt werden: Kommt es zum Zusammenschluss, beherrscht die erste Kraft (Migros/Denner) mit der zweiten (Coop) 84 Prozent des heimischen Lebensmittel-Detailhandels. Gegen diese MMM-Macht wird es jeder Ausländer, und sei er noch so ein «Gigant», schwer haben. Aldi und Lidl müssen ja zuerst an neue Verkaufsflächen herankommen ­ was ihnen leicht gelungen wäre, hätte Aldi oder Lidl Denner kaufen dürfen.

Und die Moral von der Geschicht? Sie besteht darin, dass solche Entscheide besser nicht vom Willen Tito Tettamantis oder Philippe Gaydouls allein abhängen. Zum Glück hat im vorliegenden Fall denn auch die Eidgenössische Wettbewerbskommission das letzte Wort. Sie kann Philippe Gaydoul verbieten, Denner an die Migros zu verkaufen. ­ Würde Denner jedoch an Lidl oder Aldi verkauft, wäre dagegen nichts einzuwenden. Denn das diente dem Schutz von uns Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten.

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