Merz, der Verdribbler

Kolumne 25.05.2007, Bilanz

Als Hans-Rudolf Merz zum Bundesrat gewählt wurde, hatte er keine exekutive Erfahrung. Er war «der ewige Berater» des Industriellen Stephan Schmidheiny. Als neuer Finanzminister hat sich Merz gleich selber beraten: 61 Jahre alt war er beim Amtsantritt, also habe er «noch vier Jahre» vor sich, «maximal sechs Jahre», um seine Ziele zu erreichen. Dazu gehörte sein Wunsch, unser Steuersystem zu reformieren, von Grund auf. Er wollte es «vereinfachen», kündigte er an. Nun ist Merz im vierten Amtsjahr, doch diesbezüglich erreicht hat er leider wenig. Im Gegenteil: Unser Steuersystem wird immer noch komplizierter und damit noch ungerechter.Bestes Beispiel: die Unternehmenssteuerreform II. Dies ist zugleich das einzige Dossier, bei dem Hans-Rudolf Merz «erfolgreich» war: Immerhin brachte er die angebliche «Reform» durchs Parlament. Ihr Kernstück ist eine neue Teilbesteuerung von Dividenden von 50 Prozent im Geschäftsvermögen und von 60 Prozent im Privatvermögen, die aber nur jenen Aktionären zugute kommen soll, die mit mindestens zehn Prozent an einer Firma beteiligt sind. Alles klar? Leider ja. Leider tönt diese Reform nicht nur kompliziert, sie ist kompliziert. Nicht alle Aktionäre sollen profitieren, sondern einige auserwählte. Merz und seine Mitstreiter dachten an die kleinen und mittleren Unternehmer -­ nun gehören auch die Grossinvestoren (Ebner, Pecik & Co.) zu den Privilegierten. «Extrawürste» sind das, gegen welche die Linke postwendend Unterschriften sammelt, und das mit intakten Chancen, beim Volk durchzukommen, analog zum letzten «Steuerpaket», als das Volk im Mai 2004 Nein sagte zu einer Idee, die Eigenheimbesitzer unverhältnismässig zu bevorzugen.Die Kritik kommt auch diesmal nicht ausschliesslich von links. Robert Waldburger, Vizedirektor der Eidgenössischen Steuerverwaltung, Professor an der Universität St. Gallen, «in keiner Weise der SP nahe stehend», sieht mit dieser merzschen Unternehmenssteuerreform II das «Gleichheitsgebot» verletzt. Konrad Hummler, Privatbankier bei Wegelin in St. Gallen, doppelt nach: «Jegliche Sonderbehandlung von Einkünften bei natürlichen Personen» berge ein «klassenkämpferisches Unheilpotenzial» in sich, schrieb er in der «NZZ». Statt einzelne Aktionäre zu schonen, wäre es «klüger», der Staat würde die Gewinnsteuern senken. Generell, für alle Unternehmen, radikal.

In der Zwischenzeit brach der sogenannte «Steuerstreit» mit der EU aus. In die Kritik geraten ist die Schweiz nicht etwa, weil sie generell zu tiefe Steuersätze verlange (diese echte Form des Steuerwettbewerbs ist EU-konform!), sondern weil sie «Extrawürste» gewähre. Konkret ist es in gewissen Kantonen gewissen Firmenkonstrukten (Holding-,Verwaltungs- und gemischten Gesellschaften) erlaubt, ihre ausländischen Gewinne an unserem Steuervogt vorbeizuzügeln. Man beachte aber: Nicht alle Kantone erlauben das. Es gibt auch in der Schweiz einige kantonale Finanzdirektoren, die begriffen haben, woher der Wind im internationalen Steuerwettbewerb weht: «Obwalden kennt das Holding-Privileg nicht», sagt der dortige Säckelmeister Hans Wallimann. Doch Obwalden kennt für Unternehmensgewinne neuerdings tiefste Tarife ­ die tiefsten der Welt, wie BAK Basel Economics mit einer internationalen Studie aufzeigt. Und das in völliger Harmonie mit der EU!

Diese Lektion scheint jetzt endlich auch Hans-Rudolf Merz zu begreifen. Leider erst im Jahr 4 seiner maximal sechsjährigen Amtszeit. Leider erst, nachdem er einsehen musste, dass er dem Steuerstreit mit der EU nicht so leicht aus dem Weg gehen kann, wie er ursprünglich meinte. Jetzt endlich kündet er an, die Gewinnsteuern auch auf Bundesebene zu senken. Generell, für alle Unternehmen, radikal.

Das ist eine schöne Nachricht. Noch schöner wäre gewesen, Merz hätte diesen Schritt wirklich autonom angekündigt. Und am schönsten wäre gewesen, Merz hätte auf die verkorkste Unternehmenssteuerreform II, über die wir im Jahr 5 seiner Amtszeit wohl oder übel abstimmen müssen, verzichtet -­ und gleich am Anfang, im Jahr 1, diese neue, einfache und tiefe Unternehmenssteuer für alle lanciert.

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