Der ungekrönte SMS-König

10.12.2009, Schweizer Familie
Vermutlich handelt es sich um Weltrekord: Das Mobiltelefon von Marinko Zilic, einem Büezer aus Emmen, hat innerhalb von 24 Stunden 69 900 Nachrichten versandt. 10.12.2009, Schweizer Familie
Das Telefon klingelte. Marinko Zilic konnte es abnehmen, sprechen, er war erreichbar. Doch aktiv eine Nummer wählen? Kein Summton mehr, nichts.Also griff Marinko Zilic zum mobilen Gerät. Es funktionierte wie gewohnt. Sofort rief er seine Telefongesellschaft Tele 2 an. Was nur mit dem Festnetz los sei?Es gebe da eine grössere offene Rechnung, wurde ihm mitgeteilt. Offenbar habe er viel telefoniert. Und vor allem so viele SMS verschickt, dass man ihm den Anschluss gesperrt habe. Was übrigens nur zu seinem eigenen Schutz geschehen sei.

Marinko Zilic meinte, er zahle seine Rechnungen pünktlich am Ende eines jeden Monats. Und vom Festnetz aus versende er gar keine SMS. Wie hoch denn der ausstehende Betrag sei?

«Etwas mehr als 20 000 Franken.»

Sprachlos war Zilic nicht. Dass hier etwas nicht stimmen konnte, wusste er. Und das sagte er. Doch Tele 2 vertröstete ihn kühl: Er werde die Rechnung demnächst erhalten. Dann könne er sie gern kontrollieren.

Am nächsten Tag wurde ein Paket geliefert nach Emmen LU in den Block an der Autobahn, in welchem Marinko Zilic mit seiner Frau und seinen drei kleinen Buben wohnt. Das Paket im Format A4 enthielt ein 96-seitiges, beidseitig bedrucktes Formular, fast so dick wie ein Telefonbuch. Zilic’ Adresse war richtig, die feste wie die mobile Nummer stimmten. Aber was bedeutete der Rest? Zahlen über Zahlen, die sich zu einer Summe von 20 562 Franken und 10 Rappen addierten, die auf dem roten Einzahlungsschein stand. Unfassbar – und unbezahlbar für die Familie Zilic.

Wie sich kleine Leute gegen grosse Ungerechtigkeiten wehren, wusste er als Fernsehzuschauer. Mit dem Mobiltelefon, das im Gegensatz zum Festnetz weiterhin tadellos funktionierte, meldete er sich beim «Kassensturz». Die Leute dort analysierten die Rechnung und lasen daraus: Marinko Zilic hat über seine Nummer innert 24 Stunden 69 900 SMS verschickt, die Tele 2 zu 27 Rappen das Stück berechnete. Diese Nachrichten gingen nach Italien, Spanien, Nigeria, in die Arabischen Emirate. Eine einzige landete laut Rechnungsbuch in der Schweiz. Diese Nummer rief Marinko Zilic an. Der ungekrönte SMS-König wollte endlich erfahren, was in all den Nachrichten stand, die er angeblich versandt hatte. Aber er wurde nur beschimpft. Was los sei? Woher er die Nummer habe? Warum er fremde Leute belästige?

Gegenüber dem «Kassensturz» erklärte Tele 2: Offenbar sei es einem Hacker gelungen, in die Datenzentrale von Tele 2 einzudringen und wie wild Werbebotschaften zu versenden. Es hätte jeden Kunden treffen können, der Zufall habe Marinko Zilic zum Absender gemacht. Moderator Ueli Schmezer beendete die Sendung friedlich: Tele 2 habe sich bei der Familie Zilic entschuldigt.

Sieben Tage danach erhielt Marinko Zilic neue Post von Tele 2. Diesmal ein dünnes Couvert. Es enthielt eine Mahnung in Höhe von 20 562 Franken und 10 Rappen. Jetzt setzte sich der Kunde hin, tippte seine Kündigung an Tele 2, die er eingeschrieben der Post übergab. Zusätzlich forderte er nun 1000 Franken Schadenersatz.

Er habe nicht nur neun Tage lang keinen Festnetzanschluss gehabt, sondern viel Aufregung. Und anfänglich auch einen Streit mit seiner Frau.

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