Freie Sicht auf Dürrenmatt Weekend-Tipp

Weekend-Tipp 17.11.2011, Schweizer Familie
Das Centre Dürrenmatt ist grau und mächtig, erbaut vom Tessiner Stararchitekten Mario Botta. Treten wir hinein, wollen wir raus. Hinaus auf die helle Terrasse. Dort öffnet sich dieser Blick, der unbeschreiblich ist. Der Hausherr tat es so: «Unter unserem Garten fällt das Terrain steil ab, der jenseitige Talhang ist bewaldet, doch sehen wir darüber hinweg auf den See.»
Jenseits des Sees gehe das Bauernland über in bewaldete Hügel, die sich zu den Alpen hoch türmen. Gipfel für Gipfel zählte Friedrich Dürrenmatt auf, die «in gewaltigen Schüben vor 100 Millionen Jahren aus dem Thetysmeer hervor geschossen» seien. Manchmal griff er zum Fernrohr und konnte den Kirchturm von Guggisberg erspähen, dem Dort, in dem er aufgewachsen war. Dann fragte er sich: «Was ist ein Menschenleben, was die Geschichte einer Familie gegen die Zeiträume der Geologie?» Seine Antwort: Nichts.»
Drehen wir uns heute auf der Terrasse um unsere eigene Achse, kehren wir dem See den Rücken, stehen wir einem weissen, dreistöckigen Wohnhaus, das in den Museumsbau integriert ist. Das Haus ist für uns gewöhnliche Besucher verschlossen: Hier hat Dürrenmatt gewohnt, geschrieben, gelebt – und, wie wir sehen werden – gemalt.
Treten wir von der Terrasse zurück ins Museum, steigen wir die steile Treppe hinunter zur Ausstellung, sitzt er plötzlich vor uns: Breitbeinig, loses Hemd, offenes Herz. Friedrich Dürrenmatt, gemalt von seinem Freund, dem Schweizer Künstler Varlin.
Varlin und Dürrenmatt kannten sich aus Zürichs Nobel- und Künstlerlokal, der «Kronenhalle». In Varlins Atelier war es dann um Dürrenmatt geschehen: «Ich geriet in eine Mausefalle. Die Maus war ich». Und aus dem Schriftsteller wurde auch ein der Maler, und beides gehöre zusammen: «Meine Zeichnungen sind nicht Nebenarbeiten zu meinen literarischen Werken, sondern die gemalten Schlachtfelder, auf denen sich meine schriftstellerischen Kämpfe, Abenteuer. Experimente und Niederlagen abspielten».
Im Untergeschoss entdecken wir: «Die Physiker.», «Herkules und der Stall des Augias: so heissen zwei seiner Theaterstücke, so heissen zwei seiner Bilder. Auf einem andern sah Dürrenmatt die Zukunft voraus: «Die letzte Generalversammlung der eidgenössischen Bankanstalt», heisst es. Darauf prosten sich Bankiers im Frack zu, während zwei noble Herren bereits unter den Tisch kriechen.
Als Dürrenmatt daheim in Neuenburg starb, erfüllte ihm seine zweite Frau, Charlotte Kerr, seinen letzten Wunsch: Sie schenkte das Haus mit dem steil abfallenden Garten der Eidgenossenschaft. Hier oben solle aber nicht das schriftstellerische, sondern das malerische Werk Dürrenmatts im Zentrum stehen. Sorgfältig hat Architekt Mario Botta, ein Bewunderer Dürrenmatts, geachtet, dass im mächtigen Neubau drinnen auch Dürrenmatts altes kleines Haus erhalten blieb. Hell, keine Villa, nichts Protziges. Gekostet hat es damals 60’000 Franken. Das sei «wenig, verglichen mit dem Objekt», meinte Dürrenmatt und ergänzte, als wäre er ein Immobilienmakler: «Traumhafte Aussicht, völlig unverbaubar, Südlage, grosser Garten, einziges Haus auf weiter Flur».
Warum der Preis so tief lag, bekam Dürrenmatt zu spüren: Das Flachdach war nicht dicht.
Anreise: Mit dem Zug bis Neuenburg.Zu Fuss 20 Minuten steil aufwärts. Oder mit dem Bus No. 9/9b bis zur Station «Ermitage». Parkplätze: Beschränkt vorhanden.
Ausstellung: Zusätzlich zur Dauerausstellung mit den Bildern Dürrenmatts gibt es Wechselausstellung. Bis 18. Dezember: Installationen der Video-Künstlerin Elodie Pong
Einrittspreise: Erwachsene 8 Fr., Kinder 5 Fr.; Kombiticket RailAway mit 10% Ermässigung für Zugfahrt und Eintritt, erhältlich.
Öffnungszeiten: Mi bis So, 11 Uhr bis 17 Uhr.
Restaurant: Heute ginge Friedrich Dürrenmatt vermutlich in die Brasserie Le Cardinal im Zentrum von Neuenburg
So geschlossen. Abends unbedingt voranmelden: 032 724 84 11, www.lecardinal-brasserie.ch
Hotel: des Arts, Neuenburg, Zimmer ab 100 Fr., Tel. 032 727 61 61, www.hotel-des-arts.ch
Literatur: «Vallon de l’Ermitage», Friedrich Dürrenmatt (Diogenes), wunderbare Erzählung über das Tal, das Haus, Gäste, Trinkgelage in Neuenburg und einen selbst erlebten Herzinfarkt.
«Dürrenmatt», Peter Rüedi; die neue Biografie (Diogenes).
Allgemeine Auskünfte:
Centre Dürrenmatt Neuchâtel, 74, chemin du Pertuis-du-Sault, Neuchâtel
Tel. 032 720 20 60, www.cdn.chNeuenburg

Anreise: Mit dem Zug bis Neuenburg. Zu Fuss 20 Minuten steil aufwärts. Oder mit dem Bus Nr. 9/9b bis zur Station Ermitage.
Parkplätze: Beschränkt vorhanden.
Ausstellung: Zusätzlich zur Dauerausstellung mit den Bildern Dürrenmatts gibt es eine Wechselausstellung. Bis 18. Dez.: Installationen der Video-Künstlerin Elodie Pong.
Eintrittspreise: Erwachsene 8 Fr., Kinder 5 Fr.; Kombiticket RailAway mit 10 % Ermässigung für Zugfahrt und Eintritt erhältlich.
Öffnungszeiten: Mi bis So, 11 Uhr bis 17 Uhr.
Restaurant: Heute ginge Friedrich Dürrenmatt vermutlich in die Brasserie Le Cardinal im Zentrum Neuenburgs.
So geschlossen. Abends unbedingt voranmelden: 032 725 12 86
www.lecardinal-brasserie.ch
Hotel: Hotel des Arts, Neuenburg, Zimmer ab 100 Fr., 032 727 61 61 www.hotel-des-arts.ch
Literatur: «Vallon de l’Ermitage», Friedrich Dürrenmatt (Diogenes), wunderbare ­Erzählung über das Tal, das Haus, Gäste, Trinkgelage in Neuenburg und einen selbst erlebten Herzinfarkt.

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