Der wahre Wert der Swatch

05.01.2012, Schweizer Familie

Am 1. März 1983 wird in Zürich die erste Swatch präsentiert. Die Leute stehen Schlange. Doch nur die wenigsten blicken weit genug voraus: Die Plastikuhr wird ihren wahren Wert erst später erreichen .Bald finden die ersten Auktionen statt. Sammler treiben die Preise in die Höhe. In Zürich war schon früh ein arrivierter Herr mit dabei: Der Unternehmer Peter Blum, mitgenommen wurde er von seiner Tochter. Vater Blum kaufte einiges – und wurde vom Sammlervirus infiziert.
«Die Uhr ist kein technisches Wunderwerk, funktioniert aber bestens», wird Blum zu einem Journalisten sagen: «Einmalig ist jedoch, wie sie vermarktet wird.» Er habe als Unternehmer seine Lehren aus dieser Strategie ziehen können.Blum interessiert sich mehr als nur für die Modelle aus dem Katalog. Er will wissen, wie so ein Massenprodukt kreiert und weiterentwickelt wird. Also sucht er nach Prototypen, Unikaten, Entwürfen. Und findet diese, wie er später selber zugeben wird, «auf dem Graumarkt». Er studiert die Kleininserate in der einschlägigen Fachpresse, trifft sich mit andern Sammelsüchtigen, knüpft Kontakte mit Swatch-Mitarbeitern. Oder taucht an einer offiziellen Auktion persönlich auf: In der Galerie Rudolf Mangisch in Zürich er­steigert er 1991 eine limitierte Swatch des italienischen Malers Mimmo Paladino für 56 000 Franken. Das sei die teuerste Swatch gewesen, die er sich je in seinem Leben geleistet habe.

Er kauft und kauft, auch Massenmodelle, eifrig unterstützt von seiner Frau Linda. Insgesamt kommen 4363 Stück zusammen, die das Ehepaar aufbewahrt, schön gestapelt in der jeweiligen Originalverpackung. Das «Warenlager» hätte auch ein Museum gefüllt.

Vor 15 Jahren präsentieren Peter und Linda Blum ihre Sammlung in Belmont-sur-Lausanne öffentlich. Zu bestaunen gibt es die erste quadratische Swatch, ein signiertes Original des ­Pop-Artisten Keith Haring und andere Überraschungen. Als Nicolas G. Hayek sen., der inzwischen verstorbene «Vater» der Swatch, die Blum-Ausstellung besucht, stellt er verdutzt fest: «Wir waren wohl zu locker. Da haben Ingenieure und Mitarbeiter ein paar Prototypen mitlaufen lassen.»

Jetzt, neun Jahre nach dem Tod von Peter Blum, wurde seine Sammlung nochmals gezeigt: in New York, London und Schanghai, organisiert vom Auktionshaus Philipps de Pury & Com­pany. Einziger Sinn und Zweck: die endgültige Versteigerung im Four Season Hotel in Hongkong. Die Witwe Linda Blum soll anwesend, aber nicht sehr gesprächig gewesen sind. Sie passte auf, dass die Sammlung nicht zerschlagen wird, sondern in eine Hand übergeht.

Der «Glückliche» war ein Chinese. Bezahlen musste er umgerechnet 6 Millionen Schweizer Franken, was im Schnitt 1400 Franken pro Stück ergibt. Ein stolzer Preis? Die professionellen Beobachter sind enttäuscht. Andreas Fischer, Chefredaktor von «Trusted Watch», kommentiert: «Ich hätte mir gedacht, dass der Konzern Swatch diese Sammlung fast um jeden Preis kaufen würde, um damit ein Museum zu errichten.» Doch dazu hatte Nick Hayek jun. offenbar keine Lust.

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