Was Banker und Politiker von uns lernen können

Aus der Sicht der kleinen Leute
19.01.2012, Schweizer Familie
Was kommt heraus, wenn wir uns für 900 000 Franken ein Haus kaufen, dafür eine Hypothek in Höhe von einer Million aufnehmen und mit den übrig bleibenden 100 000 Franken jenes SportCabrio vor die Garage stellen, das am besten in die Umgebung passt? Richtig: Wir lassen besser die Finger davon.Schliesslich bringen wir unserer Jugend bei, dass man sich von Swisscom, Sunrise oder Orange lieber kein Smartphone schenken lässt, bevor man die monatlich fälligen Gebühren selber zahlen kann. Man lebe nicht über seine Verhältnisse, lautet unser Rezept.
Aber wenn uns die vornehmen Bankiers verführen und aus der Reserve locken? Da können einige von uns schwach werden. In den USA ist das flächendeckend geschehen. Dort durften sich Hauskäufer über beide Ohren hinaus mit Krediten verschulden.
So etwas könnte uns kleinen Leuten in der kleinen Schweiz nicht passieren. Wir werden, bevor wir eine Hypothek erhalten, unter die Lupe genommen. Brav geben wir Auskunft über unsere Einkommens- und Vermögensverhältnisse, legen Arbeitsverträge und Steuererklärungen auf den Tisch. Und zum Schluss schiesst der Bankier ein Foto vom Haus, um zu ­dokumentieren, dass es keine Bretterbude ist, in die wir investieren. So streng läuft das Schuldenmachen bei uns.Wenn Politiker übermütig werden

Einfacher wird es höchstens bei sogenannten Kleinkrediten. Allerdings steigt dann der Zins beträchtlich: auf sieben und manchmal über zehn Prozent. Zum Vergleich: Die billigste Hypothek (Libor) wird zurzeit unter einem Prozent angeboten. Solche Unterschiede empfinden wir nicht etwa als ungerecht, sondern als logisch. Das «Risiko», dass ein Kleinkredit-Schuldner Pleite macht, ist eben grösser.

Noch grösser wird das «Risiko», wenn Politiker übermütig werden. Denn im Unterschied zu einer Privatperson kann sich ein Staat fast unendlich verschulden. Aber nur auf kurze Frist. Danach müssen auch Staaten – wie wir kleinen Leute – Zinsen leisten. Fehlt das nötige Geld, muss es an andern Orten eingespart werden. Zu spüren bekommen dies Rentner, Bauern, Spitäler, Lehrerinnen und Lehrer. Inzwischen verlochen einige Regierungen mehr Geld in Schuldzinsen als in ihr ganzes Bildungssystem. Nicht nur in Griechenland oder Portugal. Auch Wirtschafts­mächte wie die USA, Italien und Frankreich sitzen in einer solchen Schuldenfalle: Schulen werden sträflich vernachlässigt, Jugendliche massenweise ar­ beitslos. Strassen verlottern.

Von der Zinslast erdrückt

In der Zahlungsnot flüchten sich Politiker in neue Kredite, nur schon um die Zinsen für die alten Schulden abzutragen. Also tun Politiker genau das, wovor wir unseren Jugendlichen dringend abraten. Wer sich ein Smartphone schenken lässt, darf die Kosten fürs Abo, Gespräche, Musik-Downloads und Apps nicht mit teuren Kleinkrediten abstottern. Sonst wird er von der Zinslast erdrückt und gerät in finanzielle Nöte. Genau das passiert Staaten auch. Sie werden behandelt wie Kleinkredit-Nehmer in der Schweiz. Spanien muss für neue Staatsanleihen über sechs Prozent Jahreszins zahlen, Italien und Portugal über sieben Prozent, Griechenland über dreissig Prozent. Das sind nach unserem Verständnis Wu cherzinsen. Tollkühne Anleger jedoch erkennen «at traktive» Chancen. Sollte es Griechenland schaffen, «nur» dreieinhalb weitere Jahre in der Euro-Zone zu verbleiben, zahlt sich eine Anlage in griechische Staatsanleihen mit hundertprozentiger Sicherheit zurück.

Zur Erinnerung: Beim Immobilien-Crash in den USA wurden naive Investoren ebenfalls mit überrissenen Renditeversprechen in undurchsichtige Hypothekar-Konstrukte gelockt.
Fragt sich nur: Warum verlieren aus gerechnet die vornehmen Bankiers zusammen mit ihren besten Kunden immer wieder jegliche Hemmungen? Antwort: Weil sie sich gegenseitig unter Druck setzen. In der Schweiz trat der Investor Martin Ebner auf, sekundiert von Ex-Bundesrat Christoph Blocher. Die beiden forderten von der UBS eine Eigenkapitalrendite von sage und schreibe 15 bis 20 Prozent. Josef Ackermann, der Schweizer Chef der Deutschen Bank, nannte ein Renditeziel von 25 Prozent. Oswald Grübel wollte in seiner kurzen Zeit als UBS-Chef die angeschlagene Grossbank neu trimmen: auf einen Jahresgewinn von 15 Milliarden Franken bis 2014 (vor Steuern).
Wir müssen keine eidg. dipl. Buchhalter sein, um zur Einsicht zu gelangen: Margen im hohen zweistel ligen Bereich sind masslos. Wer so etwas verlangt, spielt va banque. Pustet eine Blase auf, bis sie platzt. Platzen muss.

Die drei Regeln der kleinen Leute

Wir kleinen Leute gehen mit Geld anders um. Wir sind, wie Wissenschaftler sagen, risikoavers. Wir fürchten das Risiko und setzen auf Sicherheit. Und halten uns an drei bewährte Regeln:

Erstens investieren wir nur in das, was wir selber verstehen. Auf «Hedgefonds», «strukturierte Pro­dukte» und andere Derivate verzichten wir gern.
Zweitens verschulden wir uns zwar auch. Aber nur für wahrhaftige Investitionen. Zum Beispiel für die Ausbildung, fürs Wohnen, für ein selbständiges Unternehmen. Wir achten auf realisierbare Gewinne. Anschliessend sind wir dann in der Lage, die Schuldzinsen selber zu zahlen.
Drittens wissen wir, dass jedes Wertpapier auf null sinken kann. Wer sich einen Totalverlust nicht leisten kann, kauft keine einzige Aktie.
«Sparer sind Spiesser», spotten Anlageberater in ihren feinen Anzügen. Das ist uns egal. Statt zweifelhafter US-Dollars oder fragwürdiger Euro-Bonds im Depot halten wir Schweizer Franken auf dem Sparkonto. Der Jahreszins beträgt 0 , 25 Prozent, dafür sind Einlagen bis 100 000 Franken pro Person vom Staat garantiert. Ebenso sicher sind Kassenobligationen einer Schweizer Kantonalbank: Hier dürfen wir einen Jahreszins von einem Prozent erwarten.
Ja, das ist jämmerlich. Aber es gibt leider keinen einzigen professionellen Fondsmanager auf der ganzen Welt, der uns eine höhere Rendite garantieren könnte. In Zeiten einer Schulden-, Finanz- und Währungskrise gewinnt, wer nichts verliert.

Wir investieren nur in das, was wir selber verstehen. In Zeiten einer Schulden-, Finanz- und Währungskrise gewinnt, wer nichts verliert.

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