Die Stadt in der Stadt

So haben Sie Basel noch nie gesehen: Lassen Sie sich von einer Fachperson durch den Campus Novaris begleiten

26.04.2012, Schweizer Familie

Ausflug WeekendtippGanz Basel kennt den Novartis-Campus von aussen. Die beste Fernsicht bietet das Tram von der Dreirosenbrücke aus. Hinter den Gittern habe sich Daniel Vasella, Verwaltungsratspräsident von Novartis, sein eigenes Denkmal geschaffen, vermu-tet «tout Bâle». Gesehen hat es fast keiner, obschon fast jeder reinkäme. Jeden zweiten Samstag gibts eine öffentliche Führung.Ich melde mich an bei «Basel Tourismus», kopiere die Identitätskarte, erhalte das Ticket. Und schon sitze ich in der Loge beim Portier. Der rötliche Marmor glänzt. Nichts protzig hier, nur edel. Mir muss niemand sagen, wie der Architekt dieser Empfangs-Loge heisst. Dass der Schweizer Marco Serra ein Star ist, glaub ich wohl. Freie Sicht auf die Werke der andern Stararchitekten bieten vier hohe Wände aus Glas. Kurze Kontrolle, ob ich tatsächlich angemeldet bin. Ich zücke die Identitätskarte und muss sie abgeben. Ich werde eingeteilt in eine Gruppe mit zwanzig Personen. Nicht fotografieren darf ich auf dem Gelände und nicht rauchen. «Be Healthy!», rät Novartis auf dem Plakat. «Bleib gesund!»
Wie die neuartige Stadt angelegt ist, merkt der Laie: streng nach Masterplan. Vorgegeben wurde er von Vittorio Magnago Lampugnani, ETH-Professor für Städtebau. Jedes Haus ist 23 Meter hoch. Die Hauptstrasse, 600 Meter lang, nennt sich «Fabrikstrasse». Jede Querstrasse, wie in New York rechtwinklig angelegt, ist autofrei, velotauglich und trägt den Nachnamen eines Naturwissenschafters: Fleming, Curie, Descartes.

Eine einzige Begegnungszone

Das einzige Gebäude, das ich von innen zu sehen bekomme, ist das «Visitor Center», erbaut vom Schweizer Peter Märkli. Im Erdgeschoss eine Lobby wie im Fünfsternehotel. Holzschnitzereien aus Fernost, Rattansessel, Kissen aus Marokko, Zeitungen aus fünf Kontinenten. Hier empfangen die Campus-Leute ihre Besucher.
«Kommunikation», erklärt die Fremdenführerin, sei Sinn und Zweck des Campus. Mediziner, Manager, Biologen, Chemiker kommen ins Gespräch. Das Miteinander beginne im Treppenhaus. Darum hat jedes 23-Meter-Haus eine Treppe. Eigentlich sei das ganze Areal, halb so gross wie der Hall­wilersee, eine einzige Begegnungszone. Auf der Wiese, dem Kiesplatz, unter den Arkaden, im Coop oder – typisch Novartis – in der Apotheke, im Fitness-Zentrum: überall Raum für den Dialog.
Und erst die Gastronomie! Eine Sushi-Bar zwischen zwei Laborgebäuden, die Feierabend-Lounge oberhalb des Auditoriums, zwei Dutzend Osterias und Ristoranti. Vom Morgen früh bis Abend spät, sagt die Fremdenführerin, herrsche ein «vielsprachiges Gewusel».
Heute nicht. Heute Samstag ist kein einziger der 7000 im Campus Angestellten sichtbar. Alles leer. Bizarr. Irr. Sinnig. Schön. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich wandle durch eine Stadt in der Stadt, als wärs ein Modell aus Gips oder Kunststoff. Als wäre ich in einer Retorte in China gelandet.
Aber ich bin «Z’Basel an mym Rhii». Und muss mir vorstellen, wie sich ein Mensch im Campus wohlfühlen kann. Just das macht den Reiz der Führung aus. Ich werde Architekt. Stehe auf dem Reissbrett. Es ist Samstag. Und ich male mir aus, wie es werktags läuft. Zum Schluss das Wahrzeichen des Campus: die Stahlkon­struktion des kanadischen Architekten Frank O. Gehry. Entgegen der Norm etwas höher und sogar rund. Schraubenartig windet sich das Haus, bestehend aus lauter gläsernen Vierecken, Stock für Stock in die Höhe. Die Fremdenführerin zeigt auf einem Foto, wie es drinnen aussieht: überraschend viel Holz. Soll warm wirken. Und wie üblich auf dem Campus: keine Wand, kein Vorhang, die Treppe im Zentrum. «Alles offen hier», sagt sie zu mir, der draussen steht.

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