Sion – Weekend-Tipp

Die Stadt, die mit dem diesjährigen Wakkerpreis ausgezeichnet wurde

19.10.2013, Schweizer Familie

Kommt ihr nach Sion, findet ihr am Fuss der Rebhänge einen nüchternen Ort. Sieht nicht nach einer Hauptstadt aus. Dass hier mehr als 31 000 Menschen wohnen, glaubt ihr kaum. Dass Sion den diesjährigen Wakkerpreis gewonnen hat, könnt ihr euch immerhin vorstellen. Denn über dem Ort thronen zwei Burgen, so mächtig wie prächtig: Valère und Tourbillon.
Allerdings hat Sion den Wakkerpreis gar nicht wegen seiner beiden Burgen gewonnen. Warum sonst? Um das herauszufinden, müsst ihr, liebe Leserin und lieber Leser, keine steilen Treppen hinaufsteigen und von oben herabschauen. Wollt ihr den Charme Sions erkunden, überquert ihr unten beim Bahnhof die Avenue de Tourbillon. Noch lärmig hier, alles andere als pittoresk. Schon bald jedoch landet ihr auf dem Place du Midi. «Hier hat alles begonnen», meldet der Schweizer Heimatschutz, der den Wakkerpreis vergibt: Der Place du Midi, er war der Neustart zur Planung der Altstadt.Der Asphalt ist hell und frisch durchsetzt mit Steinplatten. Zwei Baumreihen, einige dis­krete Pfeiler, die keine Autos abwehren müssen. Denn der Verkehr kreist aussen herum mit Maximaltempo 20 km/h , meist langsamer. Fussgängerstreifen gibt es keine, signalisiert wird praktisch nichts, gelebt praktisch alles. Kaffee trinken, Zeitung lesen, letzte Sonnenstrahlen tanken. Oder vielleicht veranstaltet Radio Suisse Romande vor der Bar gerade eine Livesendung.
Zum Entzücken der WirteAlles schön und nett. Und dennoch fragt ihr euch vielleicht: Ist das bereits Wakkerpreis-würdig? Nicht unbedingt. Erst auf den zweiten Blick wird die Altstadt von Sion so etwas wie ein gelungener Haarschnitt. Wie meisterhaft der Coiffeur war, sieht man nicht im «Nachher». Die wahre Kunst entpuppt sich im Vergleich zum «Vorher».

Vorher war der Place du Midi zum Weglaufen. Zu grau, zu verstopft, zu viel Blech unterwegs, zu viele Abgase in der Luft. Bis die Stadt Sion 1995 ­einen Wettbewerb organisierte zur totalen Neugestaltung. Die Ladenbesitzer liefen Sturm bis vors Bundesgericht, zum Glück vergeblich. Vier Jahre später wurde eingeweiht. Und seither sprudelt auf dem Place du Midi das Leben – zum Entzücken der Wirte. Und die Ladenbesitzer freuen sich still.
Doch das gute Ende kommt erst. Der Place du Midi «wirkte als Katalysator», lobt der Schweizer Heimatschutz. Auf Wunsch der Bevölkerung wurden rundherum neue Wettbewerbe ausgeschrieben. Zum Beispiel erhielten die Strassenrestaurants an der Rue des Remparts reihenweise begrünte Pergolen. Der Espace des Remparts ist heute ein Kiesplatz, ­geschmückt mit einer Fontäne, zum Genuss aller Kinder. ­Wohin ihr auch spaziert, zur Rue du Grand-Pont oder zur Rue de Lausanne – fast jeder Winkel des alten Städtchens wurde verwandelt in ein neues Plätzchen mit Bänken, frisch gepflanz­ten Bäumen, herausgeputzten Cafés.
Viel Sonne im Oktober

Das halbe Leben findet in Sion draussen statt. Sogar im Oktober habt ihr mehr Glück, als ihr denkt. 13 Grad warm ist die Luft, im Durchschnitt von Morgens früh bis Abends spät. Vier Stunden am Tag scheint die Sonne, wieder im Schnitt, wieder im Oktober während der Traubenlese. Sion ist noch vor Bellinzona die mediterranste Kantonshauptstadt der Schweiz. Am besten geniesst ihr das während eines Mittagessens auf dem ­Place du Midi.
Und wenn ihr Lust habt auf das Dessert? Dann steigt ihr hinauf zu den beiden Burgen. In der Mitte zwischen Tourbillon und Valère – dort war einmal ein abgeschotteter Parkplatz. Daraus wurde der Place Mau­rice-Zermatten, benannt nach dem Walliser Schriftsteller. Es ist mit Sicherheit der schlichteste Platz unter den schönsten grössten Plätzen der Schweiz, und vielleicht ist es der schönste überhaupt: bizarr, monumental, leer, unendlich.

Box:

Anfahrt: Sion ist mit den SBB dank dem Lötschbergtunnel gut erreichbar. Umsteigen in Brig.
Informationen zum Wakkerpreis:
Der Schweizer Heimatschutz bietet den Faltprospekt «Baukultur ent­decken – Sitten». Mit Stadtplan.
Zu bestellen unter Tel. 044 254 57 00
oder www.heimatschutz.ch Übernachten:
Zahlreiche Hotels.
Zentral und zahlbar ist das Hôtel du Rh ô ne
Tel. 027 322 82 91
Restaurants gibts in Sion überall.
Tipp: Brasserie du Grand-Pont
Tel. 027 322 20 96 Allgemeine Informationen:
Sion Tourisme
Tel. 027 327 77 27 www.siontourisme.ch

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