Keine Anngst vor dem Steueramt

Fragen und Antworten

06.03.2014, Schweizer Familie

Flattert die Steuererklärung ins Haus, ärgere ich mich nicht. Im elektronischen Zeitalter ist das Ausfüllen der Formulare keine Hexerei mehr. Ich kann die fertige Deklaration via Internet einreichen. Trotzdem bleibt mir die letzte Mühe nicht erspart. Die Belege muss ich selber zusammensuchen: Bankkonti, Lohnausweise, Zahnarztrechnungen, Quittungen des Optikers. Danach tippe ich die Zahlen ins elektronische ­Formular. Der Rest erfolgt automatisch. Abzüge für Versicherungen, Kinder, Doppelverdiener – alles ist programmiert. ­Haben Doppelverdiener Nachwuchs unter 14 Jahren, werden Kosten für die Krippe abgezogen. Deklariere ich Aktien, blinken die Dividenden auf; gleichzeitig werden die Verrechnungssteuern gutgeschrieben. Im Vergleich zu früher gewinne ich damit Stunden, die ich für Besseres nutzen kann. Etwa um mir Gedanken zu machen über die Vorzüge unseres Steuersystems.Kann ich mich auf den Computerverlassen?Zum Glück nicht. Jeder Mensch wird vom Steueramt als individuelles Wesen behandelt. Die Software besorgt nur das Pauschale; das Besondere erkläre ich selber. Bestes Beispiel sind Fahrkosten. Reise ich mit dem Auto zum Arbeitsplatz, kann ich das verrechnen mit 70 Rappen pro Kilometer. War­um darf ich das? Weil ich beim zutreffenden Argument ein Häkchen setzen kann: Entweder ist mein Arbeitsweg zu lang oder die nächste Haltestelle des öffentlichen Verkehrs zu weit entfernt. Auf jeden Fall muss eine bedeutsame Zeitersparnis im Vergleich zum ÖV resultieren.

Kann ich ebenso gut mit dem ÖV pendeln, mache ich die Abo-Kosten geltend. Zusätzlich erfasse ich 700 Franken fürs Velo, mit dem ich zum Bahnhof fahre.
Aufpassen muss ich beim Mittagessen, das ich auswärts einnehme. Diesen Abzug erledigt das Programm nicht pauschal, hier muss ich 3200 Franken tippen. Nur halb so viel ( 1600 Franken) sind erlaubt, wenn meine Firma die Kantine verbilligt.

Wann brauche ich einenTreuhänder?

Wenn es mir richtig gut geht. Reiche Leuten haben Möglichkeiten zur «Steueroptimierung», die sie dank professioneller Hilfe noch besser ausnützen können. Auch wenn bedeutende Erbschaften anfallen, ist guter Rat Gold wert. Wer in zwei Kantonen zwei Häuser besitzt, ist schnell überfordert, ganz zu schweigen von Vermögen im Ausland.

Für einfache Arbeitnehmer dagegen gilt die Faustregel: Der Computer im Haus erspart den Steuerberater.

Soll ich zügeln?

Auf den ersten Blick ist das lukrativ. In Zug zahlt ein verheiratetes Paar mit zwei Kindern und einem Einkommen von 100 000 Franken knapp 1700 Franken Steuern im Jahr. In Neuenburg zahlt die gleiche Familie mehr als 10 000 Franken.

Doch wer deswegen den Standort wechselt, muss richtig rechnen. Spätestens wenn ich im teuren Zugerland eine neue Wohnung suche, komme ich auf die Welt. Auch die Familie mit 100 000 Franken Einkommen und zwei Kindern wird kaum von Solothurn nach Zürich zügeln. Zwar würde sie 3600 Steuerfranken sparen im Jahr. Aber nur wenn die Monatsmiete in Zürich höchstens 300 Franken teurer wäre als die bisherige in Solothurn. Darum bleiben die meisten Leute da, wo ihnen wohl ist.

Wie weit sorge ich fürs Alter vor?

Arbeitnehmer, die in eine Pensionskasse (zweite Säule) einzahlen, dürfen via dritte Säule 6739 Franken im Jahr auf die Seite bringen und vom steuerbaren Einkommen abziehen. Doppelverdiener können, sofern beide in einer Pensionskasse sind, doppelt vorsorgen. Das lohnt sich doppelt.

Trotzdem übertreibe ich nicht. Auf die dritte Säule setze ich erst, wenn ich sie mir leisten kann. Ich will das Leben vor der Pensionierung nicht verpassen, nur um ein paar hundert Franken weniger Steuern zu zahlen.

Wie bringe ich meine Gesundheitins Spiel?

Dank dem Jahresausweis der Krankenkasse. Ich summiere die teuer bezahlten Prämien für die ganze Familie, auch für Jugendliche, die noch im Haushalt leben. Leider nützt das in etlichen Kantonen nichts. Dort gibt es für Krankenkassenprämien pauschale Obergrenzen, die längst überholt sind. Der Jahresausweis der Krankenkasse nützt mir dennoch. Er summiert Franchisen, Selbstbehalte und andere Rechnungen, die ich selber berapppen musste. Dazu addieren muss ich die Kosten für Brille, Auslagen für die Spitex oder Reparaturen des Rollstuhls.

Eine eigene Rubrik auf der Steuererklärung sind die Zahnarztkosten, die ich vollständig aufführen darf, egal, ob für Dentalhygiene, Zahnspangen, Brücken oder Kronen. Erst bei reinen Schönheitsoperationen versteht der Staat keinen Spass mehr.

Soll ich aus der Kirche austreten?

Das muss ich mit mir selber ausmachen. Steuern sparen ist aus theologischer Sicht eher ein profanes Motiv.

Was tun, wenn ich nicht mehrweiterweiss?

Der Steuerkommissär ist mein Freund. Ihm telefoniere ich, wenn Fragen offen bleiben. Er antwortet immer gratis und meistens nett. Ist er kleinlich mit mir, ist er mit den «grossen Fischen» hoffentlich ebenso streng. Jeder Beamte erfüllt nur seinen Dienst. Er kontrolliert mich – und ich kontrolliere ihn. Schliesslich schickt das Amt eine Tabelle, die zeigt, wie viel ich deklariert habe – und wie viel das Amt veranlagt hat. Nicht selten korrigiert der Kommissär zu meinen Gunsten. Geschieht ohne ersichtlichen Grund das Gegenteil, greife ich zum Telefon. Ich bleibe höflich und habe damit mehr Erfolg, als ich mir erträumt hätte.

Soll ich mir ein Haus kaufen?

Wohneigentümer haben Vorteile, weil sie alle Kosten für «Unterhalt und Reparaturen» abziehen dürfen: Kaminfeger, Maler, Elektriker und vieles mehr. Das nennt sich «werterhaltende Investitionen». Ein neuer Dampfsteamer in der Küche wäre «wertvermehrend» und nicht abzugsfähig.

Trotzdem lehne ich mich nicht zu weit aus dem Fenster. Ich verloche keine Millionen in Immobilien, um ein paar Tausender weniger an den Staat abliefern zu müssen. Ich bin keine Grossbank, die notfalls von den Steuerzahlern gerettet wird.

Wie hole ich mein Geld zurück?

Der Staat zieht mir das Geld aus der rechten Hosentasche, aber gleichzeitig stopft er es mir in die linke – der Besuch von Fachhochschulen, Universitäten und der ETH ist dank Steuern praktisch gratis.

Eine vergnügliche Vergütung der Steuerfranken ist jede Fahrt mit dem öffentlichen Verkehr. Für das Billett zahle ich die Hälfte der effektiven Kosten. Wer stur aufs Portemonnaie schaut, löst das Generabonnement. Das ist günstiger als ­jedes Auto, wenn man Gebühren, ­Reparaturen, Abschreibungen und die Versicherung einrechnet. Liebend gerne geniesse ich eine Aufführung in der Oper oder im Stadttheater. Auch dieser Eintritt ist halb geschenkt.

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