10.04.2014, Schweizer Familie
Gret Zellweger, 69 , will keine moderne Künstlerin sein. Sie arbeitet nicht in einem Atelier, sondern in einer Werkstatt, die sie auf der Eingangstür auch als solche beschildert. Sie malt, was ist. Ihre Werkstatt in Teufen AR ist kein Trödelladen, viel eher ein Materiallager für neue Ideen. «Altes Holz hat gelebt, strahlt etwas aus», sagt sie. Altes Blech hat es ihr besonders angetan. Böden alter Weinfässer schmückt sie mit neuen Trink-sprüchen.
Dass sie eine Appenzellerin ist, das hört man ihr an, das zeigen ihre Sujets. Kühe, Silvesterkläuse, der Alpstein, Streichmusikanten. Das Gemälde links von ihr scheint zu flattern. Weil sie die mit Ölfarbe bemalte Leinwand nicht auf Keilrahmen gespannt hat, sondern baumeln und trocknen liess. Ihre Bilder leben wie die Appenzeller Volkskultur. Die runden Deckel, die von der Decke pendeln wie Mobiles, werden benutzt als Untersätze für Trinkgläser. Ihr Dekor könnten acht Speichen eines Rades darstellen oder acht Blütenblätter einer Blume. Aus der Nähe betrachtet wird es eindeutig: Es sind acht kleine Kühe.
Und bei denen etwas aus dem Rahmen fällt: Fast immer blicken Gret Zellwegers Kühe uns direkt in Gesicht. So etwas käme traditionellen Appenzeller Bauernmalern kaum in den Sinn, die zeichnen Kühe fast immer von der Seite beim Alpaufzug. «Ich mache alles ein bisschen anders», sagt Gret Zellweger. Zum Beispiel reduziert sie Appenzeller Traditionen in Holzschnitten auf Schwarz-Weiss.
29 Volumenprozent GeistIhr numerisch grösster Erfolg sind ihre Tischsets für den Bergwirteverein Alpstein: Sie mussten 1 , 2 Millionen Mal gedruckt werden. Lieber ist sie ein lokaler Star als ein globaler Niemand.
Vor zwanzig Jahren schaffte sie es nach Zürich: mit einem Werbeplakat für Appenzeller Alpenbitter. Einen Saft, der aus 42 Kräutern besteht, 29 Volumenprozent Geist. Darüber malte sie den Titel in ihrer eigenen Handschrift: «Keine Kunst».
Bildband
«Gret Zellweger», Appenzeller Verlag, 136 Seiten, 68 Franken.