09.10.2014, Schweizer Familie
Als ich nach Meride kam, lernte ich zu unterscheiden. Meride ist nicht Melide, Meride legt den Akzent auf die erste Silbe, als schriebe man Méride. Meride bietet auch keine Swissminiatur, im Gegenteil. Meride gilt als Weltnaturerbe. Was keine lokalpatriotische Übertreibung ist, sondern eine Klassifikation der Unesco. Prächtig sind die Kastanien- und Buchenwälder, gross und bunt die Schmetterlinge. Verlockend die gelben Wegweiser auf den Gipfel des Monte San Giorgio: lediglich zwei Stunden. Aber es geht steil aufwärts.
Weltweit einzigartig sind dort nicht «nur» die Flora und Fauna von heute, sondern die Flora und Fauna von vorvorgestern. «Berg der Saurier» lautet der Werbespot, «Fossilien» das Zauberwort. Schritt auf Schritt hörte ich das Rascheln der lebendigen Eidechsen. Über versteinerte Echsen oder gar Saurier stolperte ich nicht, was kein Wunder ist. Dafür hätte ich schon in die tieferen Schichten graben müssen.
Stattdessen ging ich ins Museum, das in Meride nicht zu verpassen ist. Es liegt an der einzigen Strasse, die durchs Dorf führt. Der Stararchitekt Mario Botta hat seine Spuren für einmal nicht aussen, sondern im Museum drinnen hinterlassen. Durch die Glastür trat ich und blickte direkt ins Maul des «Ticinosuchus». Angst hatte ich keine, denn dass das eine Plastik ist, erkannte ich auch als paläontologischer Laie. Viel kleiner ist er als ein «Dino» vom Jurassic Park. Aber er steht auf vier Füssen.
Alle andern Saurier hier sind reine Wassertiere. Nun hängen Modelle aus Kunststoff offen in der Museumshalle. An den Wänden und in einigen Vitrinen sind Abdrücke ihrer Gebeine ausgestellt, bei denen ich zu unterscheiden lernte. Die einen sind Kopien aus Kunststoff, die andern im Original auf echtem Stein, gefunden rund um den Monte San Giorgio.
Diesen Berg gab es vor 240 Millionen Jahren natürlich noch nicht. Da war nichts als ein offenes Meer, das eine Lagune gebildet hatte.
Zuunterst war das Wasser arm an Sauerstoff. Fische, Saurier, Krebse hinterliessen ihre Skelette auf dem schwarzen Schiefer über dem Lavagestein. Diese Abdrücke blieben über Jahrmillionen erhalten, während die Kontinente die Alpen gefaltet haben. Die Konservierung klappte bis heute, weil das schwarze Sediment von Meride Öl enthält. Erdöl. Dort drin haben sich die Fossilien erhalten wie die Sardinen im Speiseöl.
Oder habe ich da etwas verwechselt? Um Genaueres zu erfahren, machte ich mich auf den «Lehrpfad». Auf Informationstafeln wird die geologische Geschichte erklärt und auf das Relief von Steinwänden gewiesen. Eine Kalkschicht ist auf der nächsten gelagert, als wäre es eine riesige Bibliothek.
Und nebenbei lernte ich den Unterschied zwischen Wander- und Bergweg kennen. Kinderwagen sind auf diesem Lehrpfad eindeutig fehl am Platz, Wanderstöcke nützlich. Zur Belohnung winkt die Alpe Brusino mit ihrem Grotto. Unter uralten Kastanienbäumen sass ich. Drüben der Monte Generoso, unten die Arme des Luganersees, hinten die Stadt und nach vorn der freie Blick auf den Damm von Melide. Mit Betonung auf dem Buchstaben i.
Meride TI
Anreise: Via Mendrisio mit dem Postauto Richtung Serpiano.
Übernachten: La Crisalide, Bed & Breakfast mit paradiesischem Innenhof. Gutes Mit tagessen. 091 646 10 54 www.lacrisalide.ch Schöner Zeltplatz: TCS Cam-
ping Meride, 091 646 43 30 Hotel Sarpiano: Einmalige Aussicht, Kinderangebot, Wellness. 091 986 20 00 www.serpiano.ch Saurier-Museum: DiSo, 917 Uhr. Eintritt 8 Fr. www.montesangiorgio.org
Führungen: 091 640 00 80 Geführte Wanderungen: 091 646 10 54 Essen: Grotto Fossati. Rustikal, fein: Polenta vom Feuer. 091 646 56 06 .
Allg. Infos: Ente Turistico, via Luigi Lavizzari 2 , 6850 Mendrisio, 091 641 30 50 www.mendrisiottoturismo.ch