«Ich wünsche mir Respekt vor der Umwelt»

Stefan Rot, Reformhaus–Unternehmer, über seine Träume

05.11.2015, Schweizer Familie

Stefan Rot, als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich?Ich spielte früher Handball und wachte in der Nacht immer wieder mit demselben Erlebnis auf: Ich sprang hoch, über alle und alles hinweg, von der Halle hinaus in die Landschaft.War das schön?

Im ersten Moment schon, aber dann kam das ungute Gefühl auf, nie mehr auf den Boden zurückzukehren. Seit ich erwachsen bin, hatte ich diesen Handballertraum nicht mehr.

Folgern Sie daraus, dass Sie nicht mehr so hoch hinauswollen?

Könnte sein. Ich deute keine Träume. Ich erinnere mich heute nicht mal mehr an sie.

Träumen Sie tagsüber von einer besseren Welt?

Klar hätte ich es gern, wenn die Menschen respektvoll mit der Umwelt umgehen würden.

Sind wir in der Schweiz auf dem richtigen Weg?

Wir leben im Paradies. Wir legen Wert auf Umweltschutz, haben einen sensationellen öffentlichen Verkehr, und immer mehr Leute ernähren sich ausgewogen.

Sie können es sich leisten. Für Nahrungsmittel geben wir gerade noch acht Prozent unseres Haushaltbudgets aus.

Genau. Der Gedanke des Reformhauses ist dem wachsenden Wohlstand entsprungen: Während der Industrialisierung, als sich immer mehr Leute immer mehr Fleisch leisten konnten, haben sich neue Krankheiten verbreitet. Vorher gab es Gicht und Rheuma nur in Königshäusern. Plötzlich war auch das breite Volk betroffen. Im Kampf da­gegen hat Amalia Egli in Zürich das erste Reformhaus gegründet. Das war 1899. Die Marke Egli hat sich bis heute gehalten.

Und Sie sind ihr Geschäftsführer. Was raten Sie den Konsumenten?

Wir sollten vor allem auf Lebensmittel verzichten, die industriell verarbeitet sind. Weisse Teig­waren sind weiss, weil wir ihnen die Ballaststoffe entziehen. Im Gegenzug kaufen wir spezielle Präparate, etwa Marken-Haferflocken, die just mit solchen ­Ballaststoffen angereichert wurden. Das ist dann doppelt so teuer.

Bei Ihnen zu Hause gibt es keine weissen Spaghetti?

Nur Vollkorn. Damit müssen sich unsere vier Kinder abfinden, aber ich bin froh, wenn sie nur wegen der Spaghetti gegen uns Eltern rebellieren.

Wie beginnt Ihr Tag? Mit Müesli?

Nein. Zum Zmorgen esse ich Beeren und Früchte.

Was gibts zum Zmittag?

Salat in allen Variationen. Dazu esse ich Brot.

Und das Gemüse?

Folgt am Abend. Mit Pasta, Reis, Hirse. Bei Rüebli, Kürbis, Kartoffeln bleiben die Schalen dran. Für meine bräunliche Rösti ­werde ich in meiner Männerkochgruppe immer ausgelacht.

Sind Sie Vegetarier?

Ich bin Flexitarier: Ich esse zwei- bis dreimal in der Woche Poulet und Fisch, selten gönne ich mir ein Filet vom Rind mit Rotwein.

Das Personal und das Publikum in Reformhäusern wirkt manchmal etwas fundamentalistisch.

Wegen der Vollkornpullover und Tofusandalen? In unseren Reformhäusern werden auch Kuhmilchprodukte verkauft. Und Fleisch. Das ganze Sortiment ist bio. Und gentechnisch veränderte Sorten kommen bei uns nicht in die Tüte. Trotzdem sind wir innovativ.

Inwiefern?

Wir waren die Ersten, die Stevia-Extrakt angeboten haben, einen Süssstoff, der inzwischen auch im grünen Coca-Cola steckt. Als Madonna einmal gefragt wurde, wie sie so jung geblieben sei, nannte sie Goji-Beeren. Innert kürzester Frist organisierten wir Goji-Beeren. Heute sind sie ein Renner, auf den auch der Grossverteiler nicht verzichten will.

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Stefan Rot, 48, gelernter Drogist, ist als Geschäftsführer der Müller-Reformhäuser (Egli-Bio-Läden und Vital-Punkt-Shops) einer der wichtigsten privaten Anbieter im Schweizer Bio-Markt.

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