Der Lohn eines Bauern beträgt 36 700 Franken Entziffert 08.11.2006, Bilanz

Der Lohn eines Bauern beträgt 36 700 Franken
Entziffert 08.11.2006, Bilanz
__ Heute nehmen wir eine Statistik unter die Lupe, welche die eidgenössische Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon jedes Jahr neu erhebt: die Einkommen in der Landwirtschaft. Vorwegzuschicken ist: Es ist nicht einfach, diese Zahl zu ermitteln, die eidgenössischen Forscher nehmen einen grossen Aufwand auf sich. Denn Bauern sind Selbständigerwerbende; und als solche erhalten sie keinen Lohn, sondern sie erzielen (hoffentlich) einen Gewinn.Zunächst wählt die Forschungsanstalt gut 3000 Referenzbetriebe aus. Diese müssen extra, aber «nach einheitlichen Kriterien» eine betriebswirtschaftliche Buchhaltung vorlegen. Diese präsentiert sich im Durchschnitt so: Ein Betrieb erzielt 211 000 Franken Ertrag, darin eingeschlossen sind 49 000 Franken Direktzahlungen vom Staat. Von dieser Summe müssen nun die «Fremdkosten» abgezogen werden. Darunter fallen alle Auslagen für Futtermittel, Saatgut, Dünger, aber auch Abschreibungen für Maschinen, Fahrzeuge und Bauten, Unterhalt und Reparaturen, Löhne für Angestellte, Hypothekar- und andere Zinsen. Weil sich diese Fremdkosten auf 157 000 Franken belaufen, bleibt im Schnitt ein landwirtschaftliches Einkommen von 54 000 Franken übrig. Also wenig.Dieses Wenige muss den selbständig erwerbenden Bauern zu einem doppelten Zweck dienen: Zuerst müssen sie ihr eingesetztes Eigenkapital verzinsen. Das kostet sie im Schnitt knapp 9000 Franken. Mit dem Rest können sie alle Familienmitglieder, die auf dem Hof arbeiten, entlöhnen, im Schnitt 1,24 Personen. Damit gelangen wir zum Schlussresultat: Der Arbeitsverdienst je Familienarbeitskraft beträgt 36 700 Franken im Jahr 2005.Das ist ein tiefer Lohn für harte Arbeit, 7,5 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Der Vergleichslohn in der übrigen Wirtschaft wäre fast doppelt so hoch, und da fragt man sich: Warum gibt es weiterhin so viele Bauernhöfe im Land, wenn die so wenig verdienen?

Antwort: Der Arbeitsverdienst des Bauern ist kein «Lohn», sondern ein buchhalterischer Saldo. Dieser Saldo erhält allerdings ein enormes politisches Gewicht: Die Bauern untermauern ihre Forderungen nach mehr Subventionen regelmässig mit dieser Statistik aus Reckenholz-Tänikon. Sind diese Zahlen systematisch zu tief angesetzt? «Wir setzen uns dafür ein, dass die Buchhaltungsabschlüsse die effektiven betriebswirtschaftlichen Werte enthalten», antwortet Judith Hausheer von Agroscope. Zum Beispiel werde das private Wohnen auf dem Hof im Ertrag eingerechnet; auch das Auto dürfe nicht einfach auf den Betrieb geschlagen werden.

Ein gewisser Spielraum bleibt, das wissen alle Selbständigerwerbenden. Noch grösser ist dieser Spielraum bei der Steuererklärung. Hier hat jeder Bauer ein doppeltes Interesse an möglichst tiefen Werten: Erstens zahlt er weniger Steuern. Zweitens würden die Direktzahlungen gekürzt, falls das steuerbare Einkommen über 80 000 und das steuerbare Vermögen über 800 000 Franken hinausgingen. Zudem sind gewisse Subventionen ans steuerbare Vermögen gekoppelt. Es überrascht nicht, dass es in der Schweiz praktisch keinen Bauern gibt, der über 80 000 Franken Einkommen oder über 800 000 Franken Vermögen versteuert.

Spätestens hier werden wir Nicht-Bauern misstrauisch. Geht es den Landwirten tatsächlich so schlecht? Fahren wir hinaus ins Grüne, besichtigen wir die prächtigen Gehöfte mit den beeindruckenden Maschinenparks, ahnen wir: So arm, wie sie in den Statistiken erscheinen, können die Bauern kaum sein.

Was ist hier falsch? Die Antwort kennt jeder Buchhalter. Um die Gewinne genug tief zu halten, investieren die Bauern etwas mehr als nötig in Bauten und in Traktoren. Auf diese Weise maximieren sie Subventionen und minimieren Steuern. Also ist es auch kein Wunder, dass die Bauern laut ihrer Buchhaltung so wenig Geld verdienen, wie die eidgenössischen Statistiken ausweisen.

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