Die Steuer-Revolution

Warum das System einfach und die Tarife flach sein müssen

Statistisch-Volkswirtschaftliche Gesellschaft, 25.10.2004, Aula der Universität Basel, Petersplatz 1

Meine Damen und Herren,
Es freut mich sehr, dass ich hier in der Aula der Universität Basel, an der ich studiert habe, einen Vortrag halten darf. Zwanzig Jahre ist das her, und ich werde heute, wie es sich gehört, Dinge sagen, die ich als Student nicht gesagt hätte. Ich hätte damals sicher nie eine Abschaffung der Steuerprogression vorgeschlagen.Aber beginnen wir von vorn. Beginnen wir bei der Steuererklärung. Ein Ärgernis. Bis hierher sind wir uns wohl alle einig. Sogar unser oberster Steuereintreiber, der seit bald einem Jahr Hans Rudolf Merz heisst, sagte vor fünf Tagen, am vergangenen Mittwoch an der offiziellen Pressekonferenz des Bundesrats: „Unser Steuersystem weist einen Komplexitätsgrad auf, der in krassem Widerspruch zur angestrebten Bürgernähe steht.“

Sie sehen, das Problem ist erkannt, ich könnte hier eigentlich meine Rede abbrechen. Denn Bundesrat Merz fügte mutig an: „Ich will deshalb unser Steuersystem vereinfachen und entrümpeln.“

Nun wissen Sie natürlich, was von solchen Ankündigungen der Politiker zu halten ist. Es gibt immer mehr Politiker, die davon reden, dass sie das Steuersystem vereinfachen und entrümpeln wollten. In Wahrheit haben sie immer das Gegenteil getan. Sie haben das System immer noch komplizierter gemacht, und sie werden es in Zukunft, wenn nicht alles täuscht, noch komplizierter machen, als es heute schon ist. Und dies mit selbstverständlich immer gut gemeinten Absichten.

Dieses Prinzip zeigt sich bei allen Steuern, nicht nur in der Einkommenssteuer. Ich erlaube mir darum einen kleinen Exkurs über die Mehrwertsteuer. Das ist eine neue Steuer, eingeführt wurde sie auf 1. Januar 1995, sie ist also noch keine zehn Jahre in Kraft. Hier kann sich niemand mit der Entschuldigung hinausstehlen, das System habe sich halt im Laufe der Jahrhunderte verkompliziert. Ein einziges Jahrzehnt genügt.

Wenn Sie heute das Gesetz zur Mehrwertsteuer in die Hand nehmen, wird Ihnen auffallen: Besonders lang ist der Artikel 18, der sich über fünf Seiten ausbreitet. Es ist, wie mir Urs Ursprung, der Chef der Eidgenössischen Steuerverwaltung gesagt hat, der am schnellsten wachsende Paragraf im Mehrwertsteuergesetz überhaupt. Er ist überschrieben mit – Sie ahnen es vermutlich – «Liste der Steuerausnahmen». Da stehen inzwischen 25, ich wiederhole: 25 Ausnahmen, was alles von der Steuer ausgenommen ist. Zum Beispiel Kulturveranstaltungen, oder Sportveranstaltungen, einschliesslich Startgeld.

Diese 25 Ausnahmen des Artikels 18 gehen ins Detail: So ist laut Ziffer 21 «Die Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zum Gebrauch oder zur Nutzung» von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Hier folgt ein Strichpunkt. Dann geht es weiter im Text: «steuerbar sind jedoch», Doppelpunkt. Was jetzt folgt, wird also wieder besteuert, wir sind bei den Ausnahmen von der Ausnahmen angelangt, das ist wie bei einer doppelten Verneinung, was nicht nicht besteuert wird, wird wieder besteuert, nämlich: «Die Vermietung von Schliessfächern» oder die «die Vermietung von Campingplätzen». Aber das ist noch nicht das Ende: unter dem Buchstaben d) wird nicht nicht besteuer: «die Vermietung und Verpachtung von fest eingebauten Vorrichtungen und Maschinen, die zu einer Betriebsanlage, nicht jedoch zu einer Sportanlage gehören».

Ich bin nicht Jurist, aber als gewöhnlicher Journalist gehe ich davon aus, dass wir nun bei der Ausnahme von der Ausnahme von der Ausnahme angelangt sind. Was nicht nicht nicht besteuert wird, wird nach mathematischer Logik nicht besteuert. Demnach ist die „Vermietung eines Grundstückes, das zu einer Sportanlage gehört“, von der Mehrwertsteuer ausgenommen. In der Praxis wird man sich vermutlich darüber streiten, wann eine fest eingebaute Vorrichtung eine Sportanlage ist und wann nicht.

Sie sehen: Ob Mehrwertsteuern oder andere Steuern, alle Steuern werden immer komplizierter. Bleiben wir einen Moment bei der Mehrwertsteuer. Hier gibt es – Sie ahnen es – einige Politiker, die wollen die Mehrwertsteuer vereinfachen. Dazu gehört Pierre Triponez, FDP-Nationalrat aus Bern, Gewerbepolitiker, und der schreibt in seinen Vorstössen, ich zitiere: «Der Bundesrat ist eingeladen, Massnahmen zu ergreifen, um die offiziellen Dokumente der Mehrwertsteuerhauptabteilung dahingehend zu verringern und zu vereinfachen, dass sie für die Kleinen und Mittleren Unternehmer lesbar und verständlich werden.»

Das ist schön. Nun hat derselbe Pierre Triponez aber weitere Vorstösse hängig. Mit einem war er im Nationalrat sogar erfolgreich, es fehlt nur noch das Ja vom Ständerat, und dann wird der berühmte Artikel 18 im Mehrwertsteuergesetz um die 26. Ausnahme ergänzt. Dank Pierre Triponez werden „Leistungen zur Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten“ nicht mehr der Mehrwertsteuer unterstellt sein.

Dieser Erfolg hat Pierre Triponez neuen Antrieb gegeben. Er hat einen nächsten Vorstoss eingereicht, diesmal geht es nicht um die Mehrwertsteuer, sondern die Mineralölsteuer, dort sind die Ausnahmen ebenfalls in einem Artikel 18 geregelt, wo zum Beispiel „der Treibstoff für die Land- oder Forstwirtschaft oder für die Berufsfischerei“ von der Steuer befreit ist. Pierre Triponez will nun erreichen, dass auch „die Treibstoffe für die Bagger- und Lastschifffahrt sowie den Natursteinabbau“ von der Steuer befreit werden.

Meine Damen und Herren, ich komme allmählich zum Thema: Je höher die Steuersätze steigen, umso zahlreicher die Rufe nach einer Sonderbehandlung. Die Mehrwertsteuer ist wie gesagt noch keine 10 Jahre alt, hat bei einem Normalsatz von 6,5 Prozent angefangen, inzwischen beträgt der Normalsatz 7,6 Prozent, und wenn Sie Zeitung lesen, so wissen Sie: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Mehrwertsteuer weiter erhöht werden wird. Wie reagieren darauf die Betroffenen?

Sie suchen nach Argumenten, den „Normalsatz“ zu umgehen. In erster Linie wollen sie von der Steuer befreit werden, dank neuen Ausnahmen im Artikel 18. In zweiter Linie verlangen sie nach einem Sondersatz, wie er heute der Hotellerie für Beherbergungen gewährt wird (3,6 statt 7,6 Prozent). Oder sie verlangen einen reduzierten Satz, wie er heute zum Beispiel für Zeitungen und Bücher gilt (2,4 statt 7,6 Prozent). Ich erwähne diese Branche deshalb, weil ich nicht verschweigen will, dass auch ich selber profitiere, da ich in dieser Branche tätig bin, die selbstverständlich sehr viele gute Gründe nennen kann, warum gerade Zeitungen und Bücher extra privilegiert werden müssen. Im weitesten Sinn geht es hier wohl um Kulturförderung.

Nur: Das Ergebnis dieser Politik besteht darin, dass das System kompliziert wird. Ein einzelner Gastwirt muss heute drei Sätze für die Mehrwertsteuer anwenden: Für die Übernachtungen gilt der Sondersatz von 3,6 Prozent. Verkauft der Wirt das Essen und Getränke über die Gasse, gilt der reduzierte Satz für Ess- und Trinkwaren, wie in jedem Laden, von 2,4 Prozent. Bedient er die Gäste am Tisch, zahlt der Wirt die normale Mehrwertsteuer von 7,6 Prozent. Ob dem Wirt damit geholfen ist? Ich weiss es nicht. Als Kunde bin ich auf alle Fälle verwirrt, denn es gibt gewisse Konditoreien, welche diese verschiedenen Sätze an die Kunden weitergeben, so dass ein Mohrenkopf, wenn Sie ihn im Café sitzend auf einem Teller verzehren, billiger ist, als wenn Sie diesen Mohrenkopf an der Theke kaufen und eigenhändig mitnehmen.

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt endlich zur Einkommenssteuer. Hier gibt es keine Sondersätze, keine reduzierten Sätze, aber statt den berühmten Ausnahmen gibt es die berühmten Abzüge, die sich im Lauf der bürgerlichen Mehrheitsverhältnisse vielfältig entwickelt haben. Jeder Politiker möchte seine Klientel privilegieren, sogar die Kollegen der Gewerkschaften machen bei diesem Spielchen mit, so dass in vielen Kantonen selbst Mitgliederbeiträge für die Gewerkschaft von den Steuern abgezogen werden dürfen.

Ich stelle nun drei Fragen, auf die es, wie ich meine, immer nur eine einzige Antwort gibt:

Erste Frage: Warum ist das jetzige Steuersystem so kompliziert? Einzige mögliche Antwort: Weil es so viele verschiedene Abzüge gibt.

Zweite Frage: Warum gibt es so viele Abzüge? Zweite einzige mögliche Antwort: Weil die Tarife so hoch sind, dass sich die Politiker nicht trauen würden, diese hohen Tarife voll und ganz zu verlangen.

Letzte Frage: Warum sind die Tarife so hoch? Dritte einzig mögliche Antwort: Weil so viele Abzüge erlaubt sind – (Pause), was das Ausfüllen der Steuererklärung leider so mühsam macht, wie es ist. Ein klassischer Zirkelschluss.

Diese berühmten Abzüge wirken auf die reicheren Leute wie einst das berühmte Gift des Sozialismus auf die ärmeren Leute. Ohne diese Abzüge würden es die Reicheren nicht aushalten. Mit diesen Abzügen scheint ihnen das jetzige System knapp erträglich. Sogar Basel-Stadt, obschon eigentlich eine Steuerhölle, kann gewisse gute Steuerzahler halten.

Man mag diese Politik der Ausnahmen als klug und gerissen bezeichnen, liberal ist diese Politik sicher nicht. Es ist Unsinn, wenn Individuum, nur um Steuern zu sparen, Dinge tun müssen, welche dieses Individuum womöglich sonst nie täten. «Der sanfte Verlust der Freiheit», nennt der ehemalige deutsche Bundesrichter Paul Kirchhof sein neues Buch, in dem er sich für eine Vereinfachung des deutschen Steuersystem ausspricht.

In der Schweiz zeigt sich dieser sanfte Verlust der Freiheit wie folgt: Wer viel Geld verdient, muss das tun, was in der Steuererklärung einen Abzug erlaubt. Es gibt mindestens zwei Bereiche, in denen diese Abzüge gegen oben schier grenzenlos sind

1. Man kaufe sich ein altes Haus und lasse es renovieren. – Bitte sehr, ich habe nichts dagegen, wenn Leute mit ihrem Geld ein altes Haus kaufen, ich habe das selber getan. Aber ich finde, dass die nachfolgenden Renovationen keine Auswirkung auf die Steuerrechnung haben dürfen.
2. Man zahle das überschüssige Geld als Nachzahlung in die Pensionskasse ein; vor allem Leute, die Karriere machen, oder Leute, die zwei drei mal hintereinander einen schönen Bonus erhalten, sind dann bei der Pensionskasse „unterversichert“ (in Anführungszeichen). – Bitte sehr, ich habe nichts dagegen. Ich finde nur, dass diese Art Vorsorge, ja man muss wohl von Luxusvorsorge sprechen, keine Auswirkung auf die Steuerrechnung haben darf.

Die Nebenwirkungen dieser Art Steuerpolitik sind messbar: Der Staat treibt seine reichsten Bürger zur Vorsorge regelrecht an. Zur Zeit der Pensionierung sind die Leute dann im Durchschnitt nicht nur reich, sondern sehr reich. Unter den über 65-Jährigen im Kanton Zürich versteuert jeder fünfte Verheiratete mehr als eine Million Franken Vermögen, jeder zweite mehr als 360 000 Franken. Je älter die Leute, umso grösser ihre Rücklagen, bei den 80jährigen steigt das Medianvermögen dann auf ziemlich genau 400’000 Franken an. Im etwas ärmeren, ländlichen Kanton Solothurn versteuern die 60- bis 70-Jährigen im Schnitt 175’000 Franken Vermögen, die 70- bis 80-Jährigen im Schnitt 260’000 Franken und die über 80-Jährigen im Schnitt 300’000 Franken.

Am unglaublichsten sind die Verhältnisse übrigens bei Ihnen im Kanton Basel-Stadt. Bei Ihnen zahlen die Über-65-jährigen pro Kopf sogar ein bisschen mehr Steuern als die 25- bis 65jährigen, und das kommt allein davon, dass die Pensionierten so viel Vermögen auf der Seite haben. Urs Müller von der Finanzverwaltung Basel-Stadt und Professor dieser Uni, hat das speziell untersucht. Erschreibt: «Die Einkommenssteuern sinken nach der Pensionierung deutlich ab, doch wird dieser Effekt durch stark steigende Vermögenssteuerbeträge kompensiert.»

Ich zitiere hier auch gern Silvio Borner, den Sie alle bestens kennen, aus seinem neusten Buch: «Bei der Altersvorsorge ist die Frage absolut berechtigt, ob das schweizerische System nicht weit über das Ziel hinausgeschossen hat. Heute lebt ein Grossteil der Rentner in komfortablen finanziellen Verhältnissen, und es werden in der Mehrzahl der Fälle sogar nach der Pensionierung noch zusätzliche Ersparnisse gebildet.» Man muss hier wohl oder übel von einer «Übervorsorge» sprechen, die sogar von den Experten der OECD und des IWF kritisiert wird, eine Übervorsorge, die ihre Ursache – ich kehre zurück zu meinem Thema – die ihre Ursache im Steuersystem hat.

Es ist darum auch kein Wunder, dass Banken und Versicherungen, die an dieser Vorsorge schönes Geld verdienen, das jetzige System verteidigen. Ebenso einsichtig ist auch, dass die rund 2500 Treuhänderinnen und Treuhändern in der Schweiz, die dank 26 komplexen und kantonal verschiedenen Steuersystemen gutes Geld verdienen, das jetzige System kaum grundsätzlich in Frage stellen. Klar ist auch, dass kleinkarierte Politikerinnen und Politiker in erster Linie an das Wohl der Hauseigentümer denken, sie wollen schliesslich wieder gewählt werden.

All diesen Lobbys möchte ich sagen: Bitte, kämpft weiter für die Sonderinteressen eurer Leute. Aber hört auf, diese Sonderinteressen mit «belebenden Impulsen und richtigen Anreizen für die Wirtschaft» zu rechtfertigen.

Strahlendes Beispiel für diese unsinnige Politik ist der Kanton Baselland, der das Wohneigentum besonders stark fördert, noch stärker als alle übrigen Kantone, dank den absolut tiefsten Eigenmietwerten in der Schweiz und speziellen Bausparmodellen. Diese Politik bekommen freilich auch jene 55 Prozent der Haushalte zu spüren, die kein Wohneigentum haben. In Baselland sind die Steuertarife höchstens aus Sicht von Basel-Stadt aus gesehen attraktiv; vergleicht man die Baselbieter Steuertarife aber mit der übrigen Schweiz sind sie überdurchschnittlich hoch, und voll zu bezahlen von all denjenigen, die eben keine Abzüge fürs Wohneigentum machen können.

Den Baselbieter Wohnbauförderern sei darum das Buch von Kirchhof empfohlen. Dort steht: «Die Hoffnung auf einen steuerlichen Prosperitätsantrieb beruht auf einem Trugschluss. Der Staat kann nämlich nur leistender Wohltäter sein, wenn er vorher besteuernder Übeltäter gewesen ist.»

Damit bin ich – endlich! – beim Kern angelangt: Die Steuern sind nicht nur zu kompliziert. Die Tarife sind zu hoch. Und zwischen diesen beiden Aussagen besteht ein innerer Zusammenhang: Gäbe es nicht so viele Ausnahmen und Sonderbehandlungen, müssten die Sätze nicht so hoch sein. Das hat nichts mehr mit Politik zu tun, sondern mit Mathematik.

Die ökonomische Wirkung dieser hohen Steuersätze ist eindeutig: Sie sind Gift für das Wachstum. Ich möchte hier keine theoretischen Exkurse machen über den Grenzsteuersatz, ich gehe davon aus, dass Sie wissen, was ein Grenzsteuersatz ist. Ein verheiratetes Paar ohne Kinder, das heute auf einen Lohn von 150’000 Brutto kommt, fragt sich: wie viel nimmt uns der Staat weg, wenn wir 50’000 Franken zusätzlich verdienen? In Basel-Stadt muss das Paar von den 50’000 Franken, die es zusätzlich verdient, etwa 18’000 Franken zusätzlich für die Steuern abgeben, für den Kanton und den Bund zusammen gerechnet. Der Grenzsteuersatz beträgt damit 36 Prozent, obschon der eigentliche Steuersatz bei 200’000 lediglich bei 25 Prozent liegt, inkl. direkte Bundessteuer.

Was ich sagen will: Dieser Grenzsteuersatz von 36 Prozent ist zu hoch. Dieser hohe Grenzsteuersatz hält die Leute davon ab, 50’000 zusätzlich zu verdienen; und wenn die Leute trotzdem 50’000 zusätzlich verdienen, dann tun sie alles, damit sie diese hohe Grenzsteuer umgehen können – indem sie entweder Abzüge geltend machen können, oder indem sie zügeln. Alle diese Massnahmen haben einen Verlierer: Der Fiskus.

Das Rezept heisst „Flat Tax“, ein amerikanischer Name, ich weiss, aber ich habe keinen besseren auf Deutsch. Das Rezept ist immerhin auf alle Sprachen verständlich: Man verlange von den Reichen lieber ein flachen Tarif. Aber man sorge dafür, dass alle, auch die Reichsten, zu diesem flachen Satz besteuert werden.

In Deutschland ist übrigens alles noch ein bisschen schlimmer als hier. Die Hälfte der internationalen Steuerfachliteratur sei in der deutschen Sprache erschienen, weil kein Steuersystem so kompliziert sei wie das deutsche, lautet ein Bonmot. Diesen Sommer hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen ein Papier verabschiedet, unterzeichnet von 29 namhaften Professoren, welches auch für Deutschland eine Flat Tax fordert. Definiert wird die Flat Tax wie folgt: «Inhaltlich handelt es sich dabei um eine Einkommenssteuer, die das wirtschaftliche Einkommen möglichst vollständig erfasst, also keine Ausnahmen zulässt, und dieses Einkommen mit vergleichsweise niedrigem, einheitlichen Steuersatz besteuert. Auf der persönlichen Ebene werden aber relativ hohe Freibeträge gewährt, so dass der Tarif insgesamt eine progressive Wirkung entfaltet».

Dieser letzte Teil der Definition ist wichtig: Die heute zu komplizierten Steuererklärungen mitsamt den zu hohen Tarifen plagen nicht nur die Leute „ganz oben“, sondern auch die Leute „ganz unten“. Denn die Leute „ganz unten“ zahlen heute bei sehr tiefen Einkommen sehr hohe Gemeinde- und Kantonsteuern. Das ist ungerecht gegenüber den so genannten „Ausgesteuerten“, die nichts tun und Sozialhilfe beziehen, und dann Franken null für die Steuern und Franken null für die Krankenkasse bezahlen müssen und auch null für den Selbstbehalt und die Franchise.

Es gibt dazu eine Studie der Skos, also der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, erschienen ist sie im Januar 2003, die Zahlen sind also nicht mehr ganz aktuell, aber es geht hier ums Prinzip. Nehmen wir eine Familie mit zwei Kindern, die netto 40’000 verdient, was weiss Gott wenig ist, aber ohne Sozialhilfe auskommen will. Diese Familie zahlte in Altdorf, Freiburg, Luzern oder Schaffhausen

$ mehr als 2000 Franken für die Kantons- und Gemeindesteuern und
$ mehr als 2000 Franken für die Krankenkassenprämien, trotz Prämienverbilligung.

Das ist demotivierend. Damit sind 4000 von den 40’000 netto schon weg. Und in Basel zahlte diese Familie allein für die Krankenkasse fast 5000 Franken, trotz Subventionen, in Genf mehr als 6000 Franken, trotz Subventionen. Meine Damen und Herren, mit dieser Art Steuerpolitik treiben Sie die Niedrigverdiener direkt in die Fürsorge, das ist absurd.
(Quelle für Zahlen: Kurt Wyss, Caroline Knupfer: Existenzsicherung im Föderalismus der Schweiz, Skos Schlussbericht, Bern, Januar 2003).

Die erste und beste und wirkungsvollste Steuerreform lautet darum: Null Steuern für alle, die «wenig verdienen». In Genf hat Micheline Calmy-Rey, die früherer Finanzdirektorin, diese Reform umgesetzt; in Basel-Stadt könnten Sie hier durchaus ein wenig weiter gehen als heute schon, seit gestern Sonntag haben Sie wohl auch die nötige politische Mehrheit dazu.

Noch muss eine Familie in der Stadt Basel Franken mit 60’000 Bruttolohn eine Einkommenssteuer in Höhe von 2724 Franken jährlich zahlen. Handkehrum erhält diese Familie in der Stadt Basel Subventionen für die Krankenkasse, da die oberste Einkommensgrenze für das Jahr 2005, wie ich im Internet nachgeschaut habe, bei 64’000 Franken liegt, bei zwei minderjährigen Kindern geht das dann offenbar sogar bis 84’000 Franken netto. Wenn ich mir einen kleinen Kommentar erlauben darf: Ich finde es grotesk, wenn die Stadt Basel ihren Familie das Geld aus der einen Tasche herauszieht, um es denselben Familien wieder in die andere Tasche hereinzustopfen.

Ich mache hier einen nächsten kleinen Exkurs, diesmal zu Einkommens- und Vermögensabhängige Sozialtransfers. Politiker lieben Einkommens- und Vermögensgrenzen. Mit jeder neuen Grenze, die sie einführen, dürfen sie sich selber loben, sie würden das Geld «zielgerichtet», «echt sozial» ausgeben – an jene, die es «wirklich nötig» haben.

Das Problem beginnt damit, dass es administrativ nicht einfach ist, diese Einkommens- und Vermögensgrenzen festzulegen und vor allem zu überprüfen. Der Aufwand in der Sozialhilfe und bei den Ergänzungsleistungen zur AHV und IV ist beachtlich, die Erfahrungen sind bis hierher aber positiv. Die Gesellschaft sichert jeder Person das Existenzminimum und stellt dabei eine einzige Bedingung: die Person, die in den Genuss kommt, muss wirklich bedürftig sein. Eine solche Politik ist nicht kleinlich, sondern grosszügig.

Wird dieses Konzept von den «wirklich» Bedürftigen auf andere Bevölkerungskreise ausgedehnt, wird die Aufgabe zur Knacknuss. Der Staat kann nicht für jedes einzelne Individuum das Budget berechnen, nur um festzustellen, ob die Alimente bevorschusst, die Krankenkassenprämie subventioniert, der Tarif der Kinderkrippe sozial angepasst, ein Stipendium gewährt wird. Es gibt inzwischen sehr viele Einkommens- und vermögensabhängige Tarife, und in der politischen Diskussion tauchen immer neue auf, insbesondere rund um die Krankenversicherung: Der Bundesrat will ein «Sozialziel» einführen, die FDP «einkommensabhängige Franchisen», der Freiburger CVP-Regierungsrat Urs Schwaller schlägt eine Gratis-Kinderprämie vor, aber nur für Familien bis und mit 76’000 Franken Jahreseinkommen. Sozialminister Couchepin will ein einkommensabhängiges Rentenalter. Der Tessiner Financier und Weltwoche-Aktionär Tito Tettamanti möchte die AHV nur noch an «50 Prozent der heutigen Rentenbezüger» auszahlen, nämlich an diejenigen, «die unter dem Existenzminimum» leben.

Werden Einkommens- und vermögensabhängige Tarife und Transfers geschaffen, steckt der Teufel im Steuersystem. Aus rein praktischen Gründen muss meist auf die Daten der Steuerverwaltung abgestellt werden; nur eignen sich just diese Daten kaum dafür. Im heutigen Steuerdschungel wird das Prinzip, wonach Steuern nach der «wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit» zu erheben sind, systematisch missachtet. Die Ursache liegt, wie wir gesehen haben, in den verschiedenen Abzugsmöglichkeiten. Das Resultat davon ist, dass die offiziellen Steuerwerte immer weniger aussagen. Spitzenverdiener, die kreativ alle Abzugsmöglichkeiten nutzen, erreichen im Extremfall ein Vermögen von null und ein Einkommen von null. Manchmal werden sie dafür in der Presse namentlich an den Pranger gestellt, jüngstes Beispiel ist etwa Filippo Leutenegger, doch das Problem reicht über Einzelfälle hinaus.

Eine neuere Nationalfondsstudie über die Familienpolitik legt dar, dass im obersten Fünftel, also bei den reichsten 20 Prozent, fast jede fünfte Familie ihre Krankenkasse subventioniert erhält, worauf Filippo Leutenegger übrigens verzichtet hat. Kommentar der Wissenschafter: «Dass auch ein nicht unbedeutender Teil der einkommensstarken Haushalte von der Prämienverbilligung profitieren, ist erstaunlich und problematisch.» (Quelle: Tobias Bauer, Silvia Strub, Heidi Stutz: Familien, Geld und Politik, Rüegger-Verlag, Zürich/Chur, 2004).

Meine Damen und Herren, ich bin einer von denen. Ich bin verheiratet, wir sind Hausbesitzer, haben ein älteres Haus, Baujahr 1937. Als wir das Dach ausgebaut haben, wollte uns der Kanton Zürich ebenfalls die Krankenkasse subventionieren; wir haben verzichtet. Aber: wir haben weiter renoviert, einmal ein neues Badezimmer, neue Parkettböden oder eine neue Küche, und so weiter, seit zehn Jahren investieren wir jedes Jahr ein bisschen.

Wir sparen damit Steuern und – jetzt kommt die Pointe – wir sparen damit auch bei den Tarifen für den Kinderhort der Stadt Zürich, wo unsere zwei Kinder an zwei Tagen betreut werden. Meine Steuererklärung, die ich in meinem Weissbuch 2004 auf Seite 60 publiziert habe, ist echt: Wir haben im Jahr 2002 rund 23’000 Franken ins Haus gesteckt, wir haben als Doppelverdiener eine doppelte dritte Säule, macht nochmals 12’000, wir haben also nur wegen diesen beiden Aktionen einen Abzug von insgesamt 35’000.

Das macht sich bezahlt, wir sparen:

– 9000 Franken bei den Steuern für den Bund, den Kanton Zürich und die Stadt Zürich
– 5000 Franken im städtischen Kinderhort.

Der Staat schenkt uns damit 14’000 Franken, mit denen wir uns Renovationen von 23’000 Franken leisten können.

Ich erzähle das hier nicht, um herumzuprahlen. Ich erzähle das so offen, weil ich finde, in der Schweiz gibt es nicht nur zuwenig Lohntransparenz, sondern auch zuwenig Steuertransparenz. Ich habe Kollegen, die ähnlich viel verdienen wie ich und meine Frau, und diese Kollegen begreifen nicht, warum wir in der Kinderkrippe einen tieferen Tarif zahlen. Wenn ich denen dann sage, dass wir so viel weniger für den Kinderhort bezahlen müssen, weil wir schliesslich auch so viel weniger für die Steuern bezahlen müssen – tja…

Franz Marty, der langjährige Finanzminister im Kanton Schwyz, der 18 Jahre lang Steuern gesenkt hat, erzählte mir einmal: Es gebe schlaue Leute, die renovieren ihr Haus just in jenen Jahren, in denen ihre Kinder an die Uni gehen, damit sie dann für diese Kinder Stipendien beziehen können.

Viele bürgerliche Politiker klagen bekanntlich über die Schweizer Sozialpolitik, sie bestehe aus lauter Giesskannen. Das stimmt weitgehend. Doch so lange das Steuersystem derart verzerrend und verfälschend wirkt, können wir diese Giesskannen gar nicht abschaffen. Alle weiteren Ideen mit Einkommens- und Vermögensgrenzen, so gut sie gemeint sind, lassen sich nicht umsetzen. Aufgrund der Steuerdaten gelangen die angeblich «gezielten» Transfers zu den Falschen. In der Sprache der Direktwerber sind das «Streuverluste».

Das nächste Problem sind falsche Anreize. Die Leute orientieren sich nicht mehr nach „oben“, sondern nach „unten“. Sie achten darauf, dass sie ja nicht «zu viel» verdienen, damit sie in den Genuss dieser Transfers gelangen. Ihre Devise heisst dann: Ja nicht mehr als 100’000 Franken verdienen, sonst zahlen wir zu viel für die Kinderkrippe. Ja nicht mehr als 76’000 verdienen, sonst bekommen wir keine Gratiskinderprämie mehr. Ja nicht mehr als 45’000 Franken verdienen, sonst bekomme ich keine Bevorschussung der Alimente. Und so weiter. Alle die heutigen und die geplanten Einkommens- und Vermögensgrenzen sind untereinander völlig unkoordiniert. Das führt dann im Extremfall dazu, dass einige Leute am Ende mehr Geld in der Tasche haben, je weniger sie verdienen. Das ist pervers.

Mit einer Flat Tax, ich komme also allmählich zum Thema, mit einer Flat Tax möchte ich 1. die Leute «unten» entlasten. Richtig, diese Leute sollen keine Steuern mehr zahlen. 2. will ich die Leute «oben» entlasten. Richtig, diese Leute sollen nicht mehr so hohe Grenzsteuersätze zahlen müssen, die wirken lähmend. 3. möchte ich, davon habe ich bisher gar nicht geredet, auch die Leute «in der Mitte» entlasten, aber sicher. Der Mittelstand zahlt heute schon viel zu viel Steuern.

Nun werden Sie, meine Damen und Herren, spätestens hier ausrufen: Das ist doch Hokuspokus, Bauernfängerei, ein neues System Behring! Hier wird suggeriert, der Staat könne die Leute «unten» und «oben» und «in der Mitte» entlasten, ohne dass er deswegen Einnahmen verliert. Das ist billigste Reklame, diese Rechnung geht nie auf!

Die Flat Tax, meine Damen und Herren, ist keine Utopie. Eine ganze Reihe von Ländern haben sie eingeführt, trotz dem englischen Namen. In Russland und der Ukraine zahlen alle Leute 13 Prozent Steuern, in Estland und Lettland alle 24 oder 25 Prozent, in der Slowakei zahlen ab diesem Jahr alle Leute und alle Unternehmen 19 Prozent Steuern. Im neuen Osten sind die Steuern tatsächlich flach – englisch: flat -, und davon begeistert sind nicht nur die westlichen Investoren, sondern auch einheimische.

Und ich bin mir ziemlich sicher: Könnten wir nochmals von vorn anfangen und wie bei einem Computer, der abgestürzt ist, einen Neustart eingeben, dann kämen auch wir im alten Europa auf eine Art Flat Tax. Wir würden aus unsern Fehlern lernen wollen. Wir würden – analog zur Mehrwertsteuer vor zehn Jahren – mit relativ tiefen Sätzen anfangen, aber von Anfang an keine Ausnahmen, keine Sonderregelungen erlauben.

In der Slowakei oder Russland und andere Länder des ehemaligen Sozialismus war so etwas möglich. Die mussten ein völlig neues Steuersystem von null auf aufbauen. Bei uns ist es umgekehrt: Wir haben schon ein Steuersystem, das leider etwas gar kompliziert geworden ist und deswegen auch viel zu hohe Tarife verlangt.

Ich komme allmählich zum Schluss, dessen Pointe darin besteht, dass ich zwei Enden vorbereitet habe, ein realistisches Szenario und fröhliches Szenario.

Das realistische besteht darin, dass sich das Schweizer Steuersystem gar nicht reformieren lässt. Dies nur schon aus juristischen Gründen. Peter Siegenthaler, der Chef der Eidgenössischen Finanzverwaltung, hat mir gesagt, er wüsste gar nicht, wie viele Gesetze und Paragrafen abgeschafft und geändert werden müssten, um eine Flat Tax einzuführen. Vermutlich sei so etwas gar nicht machbar.

Und weiter ist das Schweizer Steuersystem nicht reformierbar aus – richtig: aus föderalistischen Gründen. Ein einziger Steuersatz ist nicht kompatibel mit dem Steuerwettbewerb in der ganzen Schweiz. Nun könnte man sagen: Dann führen halt die einzelnen Kantone je eine Flat Tax ein. Nur: Das geht auch nicht, weil es in der Schweiz ein Bundesgesetz über die formale Steuerharmonisierung gibt, in dem alle Abzüge vom Prinzip her geregelt und zentral vorgeschrieben sind. Ich fasse zusammen: Eine gesamtschweizerische Flat Tax geht nicht wegen dem Föderalismus, eine kantonale Flat Tax geht auch nicht wegen dem Föderalismus. Die Schweiz hat damit einen Föderalismus, der mehr verhindert als ermöglicht.

Ich komme nun zum fröhlichen Ende: Wir machen keine Steuerreform, wir machen eine Steuerrevolution – und zerschlagen unser bisheriges Steuersystem. Diese Revolution ist möglich. Sobald man sich daran macht, die Flat Tax in die Praxis umzusetzen, wird man überrascht sein: Man kann das jetzige Steuersystem mit allen den Paragrafenwälzern streichen, voll und ganz.

Was ich vorschlage ist eine pragmatische Lösung: die sofortige Abschaffung der jetzigen Einkommenssteuer. Ja, Sie haben richtig gehört.

Klar, es entsteht dann eine Lücke, und in diese Lücke tritt eine so genannte Quellensteuer, die, und das ist der Clou, bereits existiert. Die Flat Tax funktioniert in der Schweiz bestens, heute schon. Sie hat keinen englischen Namen, sondern eine drei Buchstaben kurze Abkürzung, die jedes Schulkind kennt: AHV. Hier werden sämtliche Lohneinkommen zu einem proportionalen Steuersatz besteuert, schön flach, schön an der Quelle. Bei den Unselbstständigen funktioniert das automatisch, bei den Selbstständigen ist das Prozedere leider etwas kompliziert, das ist nicht zu vermeiden. Aber ich behaupte: Das AHV-Lohneinkommen bildet die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Individuen viel besser ab als alle Steuerdaten.

Es wäre also ein Big Bang für die kleine Schweiz: Führen wir eine Flat Tax ein, können wir das ganze übrige Steuersystem abschaffen. Tausende von Steuerberatern und Steuerbeamten würden arbeitslos. Es bräuchte nicht einmal eine Steuererklärung auf einer Postkarte oder auf einem Bierdeckel. Es bräuchte überhaupt keine Steuererklärung mehr. Der Staat könnte seine Einkommenssteuern einziehen wie heute die AHV.

Und was ist mit den Zinsen oder Dividenden? Auch diese Einkommen könnte der Staat direkt an der Quelle abzweigen. Die Schweiz tut das heute schon, sehr effizient und weltweit beachtet: Das hiesige System der Verrechnungssteuer ist international anerkannt. Sobald die Schweiz also eine Flat Tax einführt, würde die heute bestehende Verrechnungssteuer einfach und unbürokratisch weitergeführt. Statt 35 Prozent würden freilich nur 18 Prozent eingezogen, ab sofort jedoch unwiderruflich. Auch hier: Ohne Steuererklärung, weder auf einer Postkarte, noch auf einem Bierdeckel. Der Staat zieht das Geld direkt ein.

So löst sich der heutige Steuerdschnungel in Luft auf: Die neue Flat Tax ist eine doppelte Quellensteuer, die es bereits gibt. Und weil dieses neue System so simpel ist, lassen sich auch die mutmasslichen Einnahmen zuverlässig hochrechnen: Die heutige AHV-Lohnsumme bringt, wenn sie zu 18 Prozent versteuert wird, Einnahmen von 47 Milliarden Franken. Die heutige Verrechnungssteuer bringt, wenn man 18 Prozent unwiderruflich einzieht, gut und gerne 13 Milliarden Franken. Macht 60 Milliarden Einnahmen im Jahr.

60 Milliarden Einnahmen? Ist das viel, ist das wenig? Die Einkommenssteuern haben im Jahr 2002 dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden insgesamt 42 Milliarden Franken Einnahmen gebracht. Es bleiben also im Vergleich zu heute 18 Milliarden übrig .

Was tun wir mit diesen 18 Milliarden? Wir müssen die Leute unten entlasten, und zwar gezielt. Das kann man tun, indem man einen pauschalen Freibetrag einführt, zum Beispiel 15’000 Franken pro Kopf. Dann zahlt eine vierköpfige Familie für die ersten 60’000 Franken Einkommen null Steuern. Das ist das klassische Modell bei der Flat Tax.

Eine zweite, noch bessere Lösung wären Steuergutschriften. Die lassen sich in eine AHV-Flat-Tax sehr gut einbauen. Alle zahlen gleich viel: 18 Prozent; sogar die Einkommensschwächsten zahlen auf ihren tiefen Einkommen 18 Prozent. Also muss der Staat vor allem diesen Leuten das Geld zurück erstatten – gezielt.

Der Staat muss erstens eine konsistente Steuerpolitik betreiben, dann kann er zweitens auch zu einer konsistente Sozialpolitik übergehen.

Damit dieses Konzept in sich aufgeht, braucht es nicht unzählige einkommens- und vermögensabhängige Transfers wie heute, die von der Alimentenbevorschussung bis zur Prämiensubvention untereinander nicht koordiniert sind. Ein einziger Transfer würde genügen – eine Steuergutschrift eben. Alle Niedrigverdiener sollen eine solche Steuergutschrift erhalten: Sofern eine Person selber ein Minimum verdient, wird sie vom Staat dafür belohnt. Zu Niedrigverdienern gehören meiner Ansicht nicht nur Supermarktkassiererinnen, sondern auch Bauern oder Kleinkünstler – sie alle können und sollen gleich behandelt werden, überall in der Schweiz, unabhängig davon, ob es sich um einen Bergbauer im Schächental oder eine türkische Familie in Kleinhüningen handelt. Alle Personen erhalten eine Steuergutschrift, niemand erhält mehr; dann können wir uns viel Geld sparen in der Landwirtschaftspolitik oder in der Regionalpolitik und so weiter.

Ist das System intelligent gebaut, stimmen die Anreize. Dann lohnt sich Arbeit, und zwar für alle:

$ Wer null verdient, kriegt null, ist also weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen.
$ Wer 1200 im Monat selber verdient, wird vom Staat dafür belohnt und erhält nochmals 1200 vom Staat, hat also 2400 Franken.
$ Wer 2000 im Monat selber verdient, bekommt vom Staat 800, hat damit 2800 Franken, und so weiter. Selbstverständlich liessen sich auch spezielle Kindergutschriften in dieses System einbauen.

Dieses System funktioniert also wie eine negative Einkommenssteuer, mit einer Ausnahme nur: Jeder Mensch muss selber ein Minimum leisten. Die angelsächsischen Länder haben mit solchen Transfers, die direkt übers Steueramt abgewickelt werden, gute Erfahrungen gemacht.

Zurück zu den „Reichen“: Die würden dann zwar 18 Prozent Steuern zahlen. Aber das ist die obere Grenze. Niemand zahlt mehr. Ein Grenzsteuersatz von 36 Prozent, wie bei Ihnen in Basel-Stadt üblich, wäre abgeschafft. Sie sehen: Auch hier stimmen die Anreize. Die Flat Tax soll die Leute nicht vom Geldverdienen abhalten, im Gegenteil. Die Leute sollen so viel Geld verdienen, wie sie können – und sie sollen wissen, dass sie darauf eben nie mehr als 18 Prozent Steuern zahlen müssen.

Ich bin damit an jenem Punkt gelandet, den ich als Student wie eingangs gesagt, nie unterschrieben hätte. Ich bin heute für die Abschaffung der Steuerprogression. Weil ich inzwischen eingesehen habe: Die Steuerprogression ist ein Mythos, und zwar aus einem doppelten Grund. Der erste, das sind die Steuerabzüge. Der zweite Grund, das sind die enormen Unterschiede von Ort zu Ort. Im günstigsten Ort der Schweiz, in Wollerau SZ, zahlen die Reichsten heute schon flache Steuern, nämlich maximal 17 Prozent Einkommenssteuer. In Basel-Stadt zaht ein gewöhnliches Doppelverdienerehepaar mit etwa 140’000 Brutto-Einkommen so viel.

Zum Schluss komme ich jetzt zum wirklich Kleingedruckten. Ich rede immer nur von der Flat Tax. Diese Flat Tax möchte ich auf das grösstmögliche Steuersubstrat schlagen, das es hier zu Lande gibt, das ist die AHV-Lohnsumme. So weit so klar. Nur: Auf diesem Steuersubstrat gibt es ja heute schon Steuern respektive Sozialabgaben. 10 Prozent für die AHV, gut 12 Prozent für die Pensionskasse, dann die Arbeitslosen- und die Unfall- und die Krankentaggeldversicherung. Sie sehen, das sind schon etwa 24 Prozent. Wenn hier noch 18 dazukommen, wird das happig. Dann würde mehr als 42 Prozent des Bruttolohns weggesteuert. Nur damit Sie sehen: Auch mit meiner Flat Tax bleibt die Schweiz ein Hochsteuerland; tut mir leid, das lässt sich nicht wegzaubern.

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