09.02.2005, Blick
ZÜRICH. Lohnt sich arbeiten überhaupt noch? BLICK hat in den letzten Tagen anhand verschiedener Beispiele gezeigt: Wer Sozialhilfe bezieht, fährt oft besser als Leute, die mit kleinem Einkommen auf eigenen Füssen stehen. Ökonom Markus Schneider bricht ein Tabu und verlangt: Wer nicht arbeitet, kriegt auch keine Sozialhilfe mehr.Dieser radikale Ansatz kommt aus den USA. «Lieber ein schlecht bezahlter Job als überhaupt kein Job», heisst dort die Devise. Sie hat sich auch schon in England durchgesetzt. Dort muss man, wenn man Sozialhilfe will, entweder einen kleinen Lohn verdienen oder bei einem Integrationsprogramm mitmachen.Keine Sozialhilfe mehr auch in der Schweiz? Was das konkret bedeuten würde, erklärt Autor Markus Schneider anhand der beiden BLICK-Beispiele: die fünfköpfige Familie Keller und die alleinerziehende Mutter Petra Fluri. Silvio bertolami
«Was läuft schief in der Sozialhilfe? Die Antwort: Arbeiten lohnt sich nicht. Das von der Fürsorge garantierte Existenzminimum ist so hoch, dass es nicht darauf ankommt, ob jemand 1000 oder 3000 Franken oder nichts verdient. Alle erhalten etwa gleich viel. Und am schlechtesten stehen jene da, die brav arbeiten und knapp ohne Sozialhilfe auskommen. Das ist ungerecht.
Darum müssen wir das System auf den Kopf stellen. Drastisch gesagt: Wer nicht arbeitet, bekommt auch vom Staat nichts. Wer hingegen einen minimalen Betrag selber verdient – sagen wir 1000 Franken netto im Monat -, wird mit einem Lohnzuschuss belohnt. Bar auf die Hand.
Mein Vorschlag: Bei 1000 Franken Lohn beträgt der Lohnzuschuss ebenfalls 1000 Franken. Bei 1500 Lohn gibt es 800 Zuschuss, bei 2000 werden 600 fällig. Und so weiter (siehe Tabelle links). Wer mehr verdient, wird also nicht bestraft wie heute, sondern belohnt. Die Grenze wäre bei 3500 Franken. Darüber müsste man Steuern zahlen, wie heute.
Konsequenz: Arbeiten lohnt sich!
Machen bei Paaren Mann und Frau mit, schenkt es noch mehr ein. Bei je 1000 Franken Einkommen zahlt der Staat je 1000 Franken dazu, und die Familie kommt auf 4000 Franken. Reicht das? Nein. Sind Kinder da, braucht es Extra-Zuschüsse, von denen alle – auch Working Poor und Mittelstandsfamilien – profitieren sollen. Sagen wir mit 600 Franken pro Kind.
Letzte Frage: Was ist mit Leuten, die zwar gesundheitlich arbeitsfähig wären, aber trotzdem keinen 1000-Franken-Job finden? Sei es mit Putzen, Kinderhüten, Rasenmähen, Kochen, Einkaufen, Waschen? Ihnen kann die Behörde einen Dienst in der Gemeinde anbieten, zum Beispiel Strassenreinigung oder Waldräumen.
Wichtig ist das Prinzip: Wer mitmacht, kriegt etwas. Und wer sich etwas mehr anstrengt, spürt das endlich im Portemonnaie.
Auch Kleinverdiener haben Rechte!»
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