Zur Abwahl von Ruth Metzler 12.12.2003, Weltwoche
«Ich oder du?» So einfach wäre es gewesen. Ruth Metzler
hätte sich mit Joseph Deiss absprechen können, wer von
beiden abtritt. Ein Gespräch von Frau zu Mann. Gemeinsam
hätten sie ihren Entscheid kurz nach den Wahlen vom 19.
Oktober bekannt geben können. Eine Geste, die in die
Geschichte der Zauberformel eingegangen wäre. Doch Ruth
wollte nicht, Joseph offenbar auch nicht. Womit man umgekehrt
behaupten darf: Der jüngste Ladykiller vom 10. Dezember trägt
den Nachnamen Deiss.Eine Stunde später scheiterte Christine Beerli, die Kandidatin
der FDP, nachdem sie aufgrund ihres Geschlechts von der
progressiven grünen Fraktionschefin Cécile Bühlmann portiert
wurde. Die 184 Männer und 62 Frauen des eidgenössischen
Parlaments wählten lieber Herrn Merz. In der ersten
Stellungnahme kritisierte Frau Beerli den männlichen
CVP-Fraktionschef Jean-Michel Cina, der vom Rednerpult aus
das Parlament ermahnte, anstelle der ersten CVP-Bundesrätin
der Geschichte doch am 17. männlichen CVP-Bundesrat,
Joseph Deiss, festzuhalten.Mit Ruth Metzler ist nach Elisabeth Kopp bereits die zweite Frau
von vier gewählten Bundesrätinnen gestrauchelt. Ein
ehrenvolles Ende hat bisher einzig Ruth Dreifuss geschafft, die
dafür auf eher verkrampfte Art gekürt werden musste. Nur
Zufall?Wählt das Volk seine Amtsträger ab, müssen ebenfalls Frauen
daran glauben, bei den jüngsten Nationalratswahlen Christine
Wirz-von Planta, Maja Lalive d’Epinay, Barbara Polla
und Liliane Chappuis. Gleichzeitig traf es auch einige
prominente Männer, in alphabetischer Reihenfolge: Toni
Eberhard, Alex Heim, Peter Jossen, Hajo Leutenegger, Flavio
Maspoli, Jacques Neirynck, Paul Kurrus, François Lachat,
Odilo Schmid, Marc F. Suter, Karl Tschuppert, Roland
Wiederkehr. In der Regel werden diese Männer wieder durch
Männer ersetzt, so dass der Frauenanteil in den Schweizer
Parlamenten knapp unter 25 Prozent verharrt.Je weiter nun aber die allgemeine politische Stimmung nach
rechts kippt, um so weniger haben die Frauen zu sagen. In den
Nationalratsreihen der SVP beträgt die Frauenquote 5 Prozent,
in der FDP 17 Prozent, in der CVP immerhin schon 32 und bei
der SP gut 44 Prozent. Folgerichtig geht der Rechtsrutsch im
bürgerlichen Lager, der sich nun im Bundesrat fortsetzt, mit
einer Senkung der Frauenrepräsentanz einher.
Dasselbe Bild rundum. Gut vertreten sind Frauen nur in
sozialdemokratischen Regierungen, etwa in Schweden mit 11
von 22 Sitzen oder in Deutschland mit 6 von 14. Im rechts
regierten Frankreich sind es unter 15 Ministern dagegen nur
noch 3 Frauen. Noch männerlastiger als der neue Schweizer
Bundesrat ist die Regierung Berlusconi in Italien mit 2 von 22
Sitzen.
Auch in Bezug auf das Durchschnittsalter muss sich der neue
Bundesrat nicht unbedingt verstecken. Zwar ist dieses mit der
Zuwahl von Christoph Blocher und Hans-Rudlof Merz auf über
59 Jahre hinaufgeschossen. Aber in Italien beträgt das
Durchschnittsalter des Kabinetts ebenfalls 58,5 Jahre, in
Deutschland 58 Jahre. Männliche Reife wird in der Politik ganz
offensichtlich zum grossen Wert.
So ändern sich die Zeiten. Im März 1995 avancierte eine junge,
aufstrebende, bis dahin völlig unbekannte Vizedirektorin einer
Revisionsgesellschaft, die nebenbei im Halbamt Säckelmeisterin
eines Halbkantons war, zur grossen innenpolitischen
«Hoffnungsträgerin». Dies alles war offensichtlich von ihrem
Alter, Auftritt und Aussehen so stark beeinflusst, dass sich aus
heutiger Sicht die Frage aufdrängt: Wie war das möglich?
Ganz einfach: Weil die CVP auf Teufel komm raus eine Frau in
den Bundesrat setzen wollte, obschon sie damals nur eine
einzige ernsthafte Kandidatin hatte: Rita Roos aus St. Gallen,
die während der Hearings und der Präsentationen beim
eidgenössischen Parlament aber leider nicht zu überzeugen
vermochte. Die männliche Mehrheit wollte diese Rita Roos
verhindern, was nur dadurch gelang, indem sie Ruth Metzler
auserkor. Im Jahr 2000 musste die im Bundeshaus knapp
unterlegene Rita Roos als Regierungsrätin in St. Gallen entnervt
abtreten. Nun hat es auch Ruth Metzler in Bundesbern erwischt,
die noch keine vierzig Jahre alt ist, aber bereits «eines der
höchsten Ämter» bekleiden durfte, wofür sie ihrem Ehemann
Lukas vor der Vereinigten Bundesversammlung dankte.
Warum scheitern immer Frauen? Die Zyniker unter der
erstarkten Rechten interpretieren das Resultat des 10.
Dezember so, dass sie eine Frau vor dem sichern Fiasko
bewahrt hätten. Christine Beerli, das war eine Kandidatin, die in
verschiedenen Ämtern nicht überzeugt hat (Rentenanstalt,
Seelandbank) und die auch als Politikerin immer wieder Slalom
fuhr. So hatte sie etwa 1999 «auch mit einem Ja» zur
damaligen Mutterschaftsversicherung leben können, vertrat
aber vor den FDP-Delegierten die Nein-Parole, um sich am
Ende der Sitzung der Stimme zu enthalten.
Neue Frauen braucht das Land. Starke Frauen. Von denen bis
jetzt nur die Linke eine valable Auswahl stellen konnte.