Die Surbeks

Sechzig Jahre waren zwei Maler verheiratet – doch künstlerisch gingen beide ihren eigenen Weg

22.07.2014, Berner Zeitung

Das Fresko an der Westfassade des Zytglogge-Turms mitten in Bern strahlt nicht mehr frisch, es ist bald reif für die nächste Restauration. Aber es gehört zum Zytglogge wie der Zytglogge zu Bern. Unübersehbar, wenn man die Marktgasse stadtabwärts bummelt. «Beginn der Zeit», nennt Victor Surbek sein Werk unter dem Zifferblatt. Tatsächlich fängt er bei Adam und Eva an. Er präsentiert einen geduckten roten Adam, der seine verängstigte bleiche Eva nicht zu beschützen vermag. Vom strengen Engel werden beide aus dem Paradies vertrieben.Auftritt in VenedigIm gleichen Jahr, da Surbeks Zytglogge-Fresko eingeweiht wird, feiert seine Ehefrau Marguerite Frey-Surbek ihren ersten grossen Auftritt an einem andern Ort: an der Biennale 1930 in Venedig. Doch das merkt hierzulande kaum jemand, denn es vergeht ein Dutzend Jahre, bis Marguerite ihr Biennalebild «Hilda mit Badetuch» endlich in Bern zeigen kann. Dazu widmet ihr die Kunsthalle gleich eine einmonatige Einzelausstellung.

Hier Victor mit Adam und Eva im Paradies – dort Marguerite mit Hilda im Bad – gegensätzlicher könnten die beiden Welten nicht sein. Wie ist so etwas möglich? Wie hat diese Künstlerehe über 60 Jahre lang funktioniert?

Behütetes Privatleben

Zunächst braucht es eine gehörige Portion Diskretion. Beide reden gern und viel, Victor eher bedächtig, Marguerite manchmal etwas schrill, aber ihre Beziehung untereinander halten sie unter dem Deckel. Aus diesem Grund wollen sie auch nie zusammen eine Ausstellung geben: weil das nur Klamauk wäre und sich das Publikum doch nur fürs Private interessiert würde.

Sie sind jung, als sie denselben Drang verspüren. «Ich will Maler werden», teilt Victor kurz nach der Matur seinem Vater per Brief mit. Victor Surbek senior, Direktor des Inselspitals in Bern, will sich absichern. Er fährt nach Genf und legt Zeichnungen seines Juniors dem grössten Fachmann der damaligen Zeit vor. «Den dürfen Sie ruhig malen lassen», lautet der Rat von Ferdinand Hodler persönlich. Also darf der junge Victor nach München in die Kunstgewerbeschule, und zieht dann weiter nach Paris.

Privatlehrer Klee

«Ich will malen», weiss Marguerite, kaum ist sie im Alter von sieben mit ihrer Familie aus dem Jura in die Stadt Bern gezügelt. Das Mädchen eines Försters darf an die Kunstgewerbeschule. Dort merkt Marguerite, dass sie auch noch singen will. Sie nimmt Unterricht bei Hans Klee und trifft auf dessen Sohn Paul. «Il s’intéresse à moi.» Und wie er sich für sie interessiert: Zwei Jahre lang besucht er sie alle zwei Wochen in ihrer Mansarde und erteilt ihr Malunterricht. Bis ihr Paul Klee den Rat gibt: «Sie müssen nach Paris.»

Der Funke in der Malschule

In einer Pariser Malschule begegnen sich die beiden Berner Victor und Marguerite zum ersten Mal. Drei Jahre später heiraten sie, Marguerite ist 27, Victor 28. Sie kehren heim nach Bern, beziehen in der Altstadt an der Junkerngasse eine Wohnung, der erste Weltkrieg bricht aus. «Aus Todesverachtung», so Marguerite, gründen sie eine eigene Malschule in der Gerechtigkeitsgasse. Nun sind die Surbeks mitten in der Berner Szene angekommen. Victor sitzt jeden Donnerstag in der legendären «Künstlerrunde» im Restaurant Harmonie, oft zusammen mit Serge Brignoni oder Max Fueter, die bald berühmter werden als die Surbeks, bei denen sie ganz kurz zur Schule gegangen sind.

Frühling in Iseltwald

Nach ersten Verkäufen seiner Gemälde kann sich Victor Surbek ein eigenes Atelier in der Brunnmatt leisten, während seine Frau zu Hause an der Junkerngasse malt. Jeden Frühling fahren sie zusammen nach Iseltwald am Brienzersee. Dort haben sie ein gemeinsames Atelier mit einem grossen Fenster, dort entstehen die meisten ihrer Bilder, dort ergründen beide ihre Sujets. Während Victor Kinder aus dem Dorf porträtiert oder die Berg- und Seelandschaft laufend neu in seine Bilder rückt, vertieft sich Marguerite in Stillleben draussen auf der Wiese. Beide haben ihre Ausstellungen, beide finden ihre Sammler und Liebhaber. Und doch ist Victor erfolgreicher, was Marguerite nicht immer leicht nimmt. Dann und wann flüchtet sie aufs Faulhorn. Zuerst traut ihr Victor diese steile Wanderung nicht zu, dann bleibt sie gleich für mehrere Wochen oben und kommt jedes Jahr wieder. Das Faulhorn wird ihr «Götterhorn». Bis ins hohe Alter wagt sie sich mit ihrer Staffelei in steilste Lagen.

Und Victor macht mit 71 Jahren seine Abenteuerreise nach Kamerun ebenfalls ohne Marguerite, dafür mit dem Reiseschriftsteller René Gardi. Nach New York wiederum reisen sie zusammen, ziehen tagsüber auf eigene Faust los und studieren abends die Skizzen des andern. Zwei Jahre danach fliegt Marguerite allein hin.

Dieser Mix zwischen Nähe und Distanz lässt beiden den nötigen Freiraum. Je enger und länger Victor & Marguerite zusammen leben und zusammen arbeiten, umso weiter wird ihr Horizont.

Ausstellung

Eine Ausstellung im Schulhaus von Iseltwald würdigt das Schaffen des Künstlerpaars Surbek: Vom 26. Juli bis 10. August sind Werke von Victor Surbek und Marguerite Frey-Surbek zu sehen. Besondere Attraktion sind die beiden Promenaden vom Samstag 2. August und Sonntag 10. August. Zwei Spaziergänge mit vielen Überraschungen. Start: 10.30 Uhr bei der Schiffsstation Iseltwald.bz

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