Drei Mängel
von Hanspeter Hilfiker, 03.02.2005
Mein Krankenkassenmodell
von Kurt Thaddey, 14.12.2004
Drei Mängel
03.02.2005, von Hanspeter Hilfiker
Ich habe Ihr Buch eben gelesen: Provokativ, vielschichtig, interessant – Gratulation.
Drei Argumentationslinien sind meines Erachtens zu einseitig bzw. nicht vollständig:
a) Von Familien zu Kinderlosen
Erstens gibt es bei den «nicht Familien» nicht nur Doppelverdiener ohne Kinder, sondern viele Personen, die einfach alleine leben (heute rund 1/3 aller Haushalte); Diese Personen nutzen die über Steuern finanzierten Infrastrukturen nicht mehrfach, zahlen dafür aber deutlich mehr Beiträge (Steuern).
Zweitens – und das ist der wohl grösste Mangel in Ihrer Untersuchung – blenden Sie das Schulwesen und dessen Finanzierung einfach aus; Dies mit dem lapidaren Hinweis, dass die Grundausbildung halt Aufgabe der Öffentlichen Hand sei. Der Bildungsbereich ist aber der grösste Ausgabenbereich aller Gemeinden (2001: 10 Mrd. Fr.) und Kantone (15 Mrd.) überhaupt; – Wenn Sie bei der Altersvorsorge die gesamte AHV in Ihre Umverteilungsrechnung einbeziehen (2001 rund 20 Mrd.), gehören die Bildungsausgaben ebenfalls berücksichtigt. Insgesamt läuft die Umverteilung zwischen Familien und Kinderlosen natürlich sehr eindeutig von den Kinderlosen zu den Familien; Deren Schwerpunkt sind aber nicht Familien-, Kinder- oder Krankenkassenzulagen, sondern die kostenlose zur Verfügung Stellung des weltweit teuersten Bildungssystems…
b) Von Inländern zu Ausländern
Hier operieren Sie m.E. mit einem zu pauschalen und wohl für die Schweiz nicht zutreffenden Mass (10 / 25 Jahre Aufenthalt in der CH): Die deutschen Erkenntnisse bezüglich Kosten von Ausländern sind für die Schweiz aus verschiedenen Gründen kaum relevant:
Erstens hat Deutschland traditionell nicht halb so viele Ausländer wie wir;
Zweitens sind von diesen Ausländern seit Jahrzehnten sehr viel mehr arbeitslos, bei gleichzeitig tieferer Erwerbsquote;
Drittens ist das gesamte Altersvorsorge- / Renten- / Gesundheitswesen aufgrund des Umlageverfahrens viel kostenintensiver als in der Schweiz;
Viertens schliesslich ist Deutschland seit Jahren für gut verdienende Ausländer gar nicht mehr attraktiv; Dies ganz im Unterschied zur Schweiz, wo die Deutschen ja seit mehreren Jahren die Einwanderungsgruppe Nr. 1 darstellen…
Hier denn auch ein Indiz dafür, dass Ihre Pauschalrechnung für die Schweiz wohl falsch ist: Ein Deutscher, der 2000 in die Schweiz zieht, 2 Kinder hat, einer gut bezahlten Arbeit nachgeht, und quellenbesteuert wird, «kostet» unsere Volkswirtschaft natürlich weniger als ein Schweizer mit 2 Kindern und einem Durchschnittseinkommen… Sicher richtig ist ihr Hinweis, dass die Qualität der Einwanderung vermehrt Thema werden muss.
c) Von der Stadt in die Landschaft
Grundsätzlich ebenfalls richtig; Gerade die zitierten Verkehrprojekte sprechen eine deutliche Sprache. Auch hier sollte man aber bei einer Quantifizierung der Effekte weitere Aspekte einbeziehen. So haben die Investitionen in die Bahn 2000 die Mobilität im Lande natürlich unglaublich gesteigert, was v.a. zu einer viel höheren Flexibilität im Arbeitsmarkt geführt hat. Heute pendeln Arbeitnehmer von St. Gallen oder Biel nach Zürich; Dies hat positive Effekte bspw. auf die AlV und die übrigen Sozial- und Altersvorsorge-Werke, aber auch auf die Attraktivität des Werkplatzes Schweiz.
Fazit: Ihr Anliegen, die Umverteilungen in der Schweiz kritisch unter die Lupe zu nehmen, ist Ihnen m.E. weitgehend gelungen. In den kritisierten Bereichen sind sie den aktuellen, sagen wir «populistischen» Argumentationslinien (leider) weitgehend gefolgt.
Mein Idealvorstellung einer «gerechteren» Zuteilung der öffentlichen Mittel läuft in Richtung einer «Individuellen Vollkostenrechnung»; Dies bedeutet, dass jede Person, egal ob mit oder ohne Kinder, ob aus der Stadt oder vom Land, ob Inländer oder Ausländer, über seine Lebensspanne die Kosten seines Lebenswandels tragen können sollte. Bildung, Gesundheit, Verkehr und Altersvorsorge dürften hier die Schwergewichte sein. Überall braucht es wohl in gewissen Lebensphasen Umverteilungen, aber eben nicht immer und nicht nur in eine Richtung. Eine Musterlösung habe ich aber auch noch nicht gefunden…
Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen und verbleibe mit Gruss und Dank,
Hanspeter Hilfiker
Dr. oec. HSG, Aarau, 40, unverheiratet und kinderlos.
Hanspeter.Hilfiker@guycarp.com (Geschäft)
Mein Krankenkassenmodell
14.12.2004, von Kurt Thaddey
ich habe Ihr Buch gelesen. Herzliche Gratulation. Sie sind einer der wenigen die es wagen heisse Themen aufzugreifen.
Ich bin 67 Jahre alt und gehöre genau zu jener Gruppe die den ganzen Aufschwung und Wohlstand miterlebt hat.
Deshalb möchte ich Ihnen einen Vorschlag für ein neues Krankenkassenmodell unterbreiten, welches vielleicht eine Chance hätte. Unsere Kinder bis 18 sollen keine Krankenkassenprämien bezahlen, aber trotzdem eine Franchise von 500 CHF haben, damit die Mütter mit ihren Kleinkindern nicht einfach zum Arzt rennen. Ab dem 19. Jahr steigen dann die Prämien und die Franchise. Ab dem 65. Lebensjahr sind sowohl die Prämien wie die Franchise maximal. Die meisten Alten können diese Belastung verkraften. Bei der Franchise würde ich nicht ganz bis 5000 CHF gehen wie Sie vorschlagen, da man bei chronisch Kranken doch mit jährlich wiederkehrenden Kosten rechnen muss, was zu einer unerträglichen Belastung führen kann.
Kurt Thaddey
7212 Seewis Dorf