Die Südostschweiz, 24.02.2005, von Daniel Foppa
Solche Aussagen stossen bei Kantonsvertreter Braun auf klaren Widerspruch. «Die Schweiz definiert sich nicht bloss über die ökonomische Leistungsfähigkeit», sagt Braun und verweist auf Begriffe wie Ausgleich und Solidarität. Entscheidend ist für ihn, dass die Personen in den betroffenen Gebieten selbst über ihre Zukunft befinden sollen. «Man kann doch nicht vom Mittelland aus definieren, welche Täler aufgegeben werden sollen und welche zu entleeren sind. Dann sind wir bald so weit wie in China, wo Menschen zwangsumgesiedelt werden, um Staudämme zu bauen», sagt Braun.
Föderalismusdebatte lanciert
Neben den provokativen Äusserungen von Ökonomen sorgt zurzeit die von der Stiftung Avenir Suisse lancierte Föderalismusdebatte für Gesprächsstoff. Laut der Denkfabrik ist das stockende Wirtschaftswachstum der Schweiz auch auf die Zersplitterung des Landes in 26 Kantone zurückzuführen, die als Wirtschaftsräume zu wenig effizient seien. Die Stiftung will deshalb den sechs «Metropolitanregionen» des Landes mehr Gewicht beimessen, unter anderem durch eine stärkere Vertretung der Wirtschaftszentren im Parlament.
In den Randregionen stiessen die Vorschläge auf Ablehnung. So zeigte sich in Graubünden die FDP «empört», während die CVP von einem «Angriff auf die föderalen Strukturen der Schweiz» sprach. Auch für Canisius Braun ist klar: «Der Föderalismus darf nicht nur über die ökonomische Leiste geschlagen werden.» Braun ist nicht grundsätzlich gegen Reformen und bewertet zum Beispiel den Zusammenschluss von Gemeinden zu grösseren und leistungsfähigeren Einheiten positiv. Für ihn ist aber entscheidend: «Solche Entwicklungen müssen von der Basis her kommen und dürfen nicht von oben herab verordnet werden.»
Politik konkretisiert Projekte
Parallel zur öffentlichen Debatte werden auf dem politischen Parkett Projekte konkretisiert, die für die Randregionen entscheidend sind. So müssen nach dem Ja zum neuen Finanzausgleich rund 30 Bundesgesetze geändert werden. In den Reaktionen auf die Ausführungsgesetzgebung wurden unter anderem Ängste laut, dass die Bundesbeiträge an die ungedeckten Kosten des Regionalverkehrs zu stark gekürzt werden. Zudem werden die Randregionen mit Argusaugen darüber wachen, dass der neue Ressourcenausgleich wie versprochen dotiert wird, um die geografisch-topografischen Nachteile der Bergregionen zu mildern. Ebenfalls aktuell sind die Diskussionen zum Entlastungsprogramm 2004. Der Ständerat eröffnet übernächste Woche die Debatte zur 2-Milliarden-Sparvorlage, die die einzelnen Kantone sehr unterschiedlich betrifft. So wird laut bundesrätlicher Botschaft Graubünden rund sechsmal stärker getroffen als Basel-Stadt. Zu erwarten ist, dass das Parlament an der Vorlage einzelne Korrekturen vornimmt. In eine Zusatzrunde geschickt wurde schliesslich die neue Regionalpolitik des Bundes. Nach mehrheitlich kritischen Antworten in der Vernehmlassung ist der Bund über die Bücher gegangen und will bis Ende Jahr eine neue Botschaft präsentieren. Ein erster Überblick über die Thematik zeigt damit: Die Randregionen-Debatte wird die Schweiz noch längere Zeit beschäftigen.