Prämienverbilligung: Das System krankt Kassensturz, 13.01.2004, von SF DRS

Prämienverbilligung: Das System krankt
Kassensturz, 13.01.2004, von SF DRSÜber einem Drittel der Schweizer Bevölkerung verbilligt der Staat die Krankenkassenprämien. Profitieren können auch Gutverdienende.Markus Schneider, Autor des vielbeachteten „Weissbuch 2004“, kritisiert schon lange Systemfehler im Sozialstaat. So kann er auch der Bemessungsgrundlage für die Prämienverbilligung nichts abgewinnen: «Das System ist falsch, weil es sich auf das steuerbare Einkommen bezieht. Die steuerbaren Einkommen haben immer weniger mit der Leistungsfähigkeit der Leute zu tun. Grund sind die Abzugsmöglichkeiten in der Steuererklärung», sagt Schneider.Das heisst: Anspruch auf Prämienverbilligungen haben nicht nur Leute mit kleinen Einkommen, sondern all jene, die in ihrer Steuererklärung viele Abzüge machen können. Zum Beispiel Hauseigentümer und Selbständigerwerbende.

Ist das steuerbare Einkommen die richtige Berechnungsgrundlage für die Prämienverbilligung? Kassensturz macht die Probe aufs Exempel und erkundigt sich nach den steuerbaren Einkommen der neuen Zürcher Nationalräte. Erstaunlich: Drei von sieben Neu-Parlamentarier haben – theoretisch – Anspruch auf verbilligte Krankenkassenprämien.

Einer von ihnen ist der prominente Rechtsanwalt Daniel Vischer. Auch der frischgewählte Nationalrat der Grünen könnte Krankenkassensubventionen beziehen: Sein steuerbares Einkommen beträgt laut Steuerausweis im Jahr 2001 bloss 23’300 Franken. «Es ist klar, dass Selbständigerwerbende bei den Steuern gewisse Abzugsmöglichkeiten haben», sagt Vischer. «Aber es ist auch klar, dass ich die Prämienverbilligung nicht in Anspruch nehmen werde, weder für meine Frau, noch für meine Kinder.»

Ähnlich tönt es von Filippo Leutenegger. Ihm gehören mehrere Häuser und Wohnungen in der Schweiz, unter anderem vier Häuser an der Zürcher Forchstrasse. Doch im Jahr 2001 versteuerte der FDP-Nationalrat und CEO der Jean Frey AG 0 Franken Einkommen und 0 Franken Vermögen. Leuteneggers Begründung für das steuerbare Einkommen null im Jahr 2001: Er habe sich für dringende Arbeiten an der Kanalisation massiv verschuldet.
Demnächst dürfte Leutenegger einen Antrag auf Prämienverbilligung erhalten. «Ich werde sicher nichts in Anspruch nehmen», sagt Leutenegger. Diese gelte auch für seine Söhne. Die Prämienverbilligung basiere auf einem «Giesskannenprinzip». «Dadurch kommen oft Leute in den Genuss von Prämienverbilligungen, die es gar nicht brauchen.»

Eine, die das Geld brauchen kann, ist nach eigenem Bekunden Chantal Galladé, die neu für die SP im Nationalrat sitzt. Als Studentin und Kantonsrätin kam sie im Jahr 2002 auf ein steuerbares Einkommen von 26’000 Franken. Als Nationalrätin wird sie künftig auf die Unterstützung verzichten.

Die Politiker sind sich einig: Das System hat zu viele Schwachstellen. Auch Weissbuch-Autor Schneider fordert: «Man sollte als Basis die Lohnausweise heranziehen. Das sagt viel mehr aus über die Leistungsfähigkeit der Leute als das steuerbare Einkommen.»

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