Es wäre alles so einfach SonntagsZeitung, 01.02.2004, von Michael Lütscher

Es wäre alles so einfach
SonntagsZeitung, 01.02.2004, von Michael Lütscher
Die Flat Tax, ein fixer Prozentsatz für alle, soll das «progressive»
Steuersystem ablösen. Das fordern in der Schweiz der Steuerberater
Michael Leysinger und Markus Schneider, Ökonom und Journalist.
Ihr Motiv: «Einfach Steuern bezahlen».Schneider schlägt vor, dass die direkten Steuern von Bund, Kantonen
und Gemeinden zusamen 18 Prozent betragen, Abzüge gibt’s keine. Das
wirkt brutal: Der Satz soll für Arm ebenso gelten wie für Reich.
Schneiders überraschender Ansatz: Die Flat Tax soll den Working
Poor dienen und den Mittelstand «befreien».Jeder und jede Steuerpflichtige soll deshalb eine Pauschale
gutgeschrieben kriegen – 5000 Franken pro Erwachsenen und für jedes
Kind (siehe Tabelle). Ist die Steuer tiefer als die Pauschale, gibt es vom
Steueramt eine Gutschrift. Eine vierköpfige Familie mit einem
Einkommen von 100 000 Franken bekäme noch 2000 Franken
gutgeschrieben.

Wer mehr verdient, muss mit der Flat Tax keine Steuerprogression
fürchten. Die «Leistungsfähigsten sollten sich weniger Gedanken darüber
machen, wie sie ihre Steuern minimieren, sondern ihre Energie und
Intelligenz dafür verwenden, mehr zu leisten, mehr zu verdienen und
nebenbei auch mehr Steuern abzuliefern», schreibt Schneider in
seinem «Weissbuch 2004». Die 18 Prozent sind tiefer als der
Maximalsteuersatz für Gemeinde-, Kantons- und Bundessteuern im
Steuerparadies Wollerau SZ.

Die Reichen müssten mehr Steuern bezahlen als heute

Alle können also profitieren. Da fragt man sich natürlich: Ist die Idee ein
Furz? Wer soll das bezahlen? Schneider hat ausgehend von den
Einnahmen von AHV und IV, gerechnet: 18 Prozent von jedem Lohn in
der Schweiz bringen 47 Milliarden Franken ein. Dazu würde er die
heutige Verrechnungssteuer von 35 Prozent auf 18 Prozent senken,
diese aber nicht mehr zurückzahlen. So flössen dem Staat weitere 13
Milliarden Franken zu. Die Gutschriften kosten 25 Milliarden. Blieben 35
Milliarden zurück – vier weniger, als der Staat 2001 an direkten Steuern
einnahmen.

Fazit: Es müsste weiterhin gespart werden. Aber die Reichen müssten
mehr Steuern bezahlen als heute.

Steuerexperte Leysinger schlägt statt Gutschriften Pauschalabzüge vor;
Steuergeschenke gäbe es nach seinen Vorstellungen nicht, dafür einen
tieferen Einheitssatz von 15 Prozent.

Erfunden hat die Flat Tax ein Amerikaner namens Alvin Rabushka, der
sie 1981 kurz nach dem Amtsantritt von Ronald Reagan als US-Präsident
der Öffentlichkeit präsentierte. Reagan fand die Idee toll, ebenso der
Milliardär Malcolm Forbes und Österreichs Rechtspopulist Jörg Haider.
Realisiert wurde die Flat Tax erstmals im früheren Reich des Bösen: In
Russland gilt seit 2001 eine Einheitssteuer von 13 Prozent für
Arbeitnehmer. Auch die Ukraine und die Slowakei führten seither die Flat
Tax ein.

In der Schweiz scheinen die Chancen für die flache Steuer gering:
Politiker der meisten Parteien sind dagegen (siehe Zitate nebenan). Und
der Finanzminister lässt über seinen Sprecher ausrichten: «Bundesrat
Merz will keine Flat Tax.»

So funktioniert die Flat Tax

Was einer vierköpfigen Familie bleibt *

Lohn 18% Steuer Gutschrift Resultat

0 0 10 000 10 000

10 000 -1800 10 000 18 200

25 000 -4500 20 000 40 500

50 000 -9000 20 000 61 000

100 000 -18 000 20 000 102 000

150 000 -27 000 20 000 143 000

1 000 000 -180 000 20 000 840 000

* Annahmen: Einheitlicher Einkommenssteuersatz 18%,
Steuergutschriften 5000 Fr. pro Kind, 5000 Fr. pro Erwachsenem ab
Erwerbseinkommen von mindestens 25 000 Fr.

Was sagen Politiker?

Hans Kaufmann, Nationalrat SVP, ZH

Eine Flat Tax würde das ganze Steuersystem dramatisch vereinfachen.
Umverteilung wäre weiterhin möglich, sie könnte aber nur noch über die
Ausgaben erfolgen und wäre damit transparent.

Ruedi Noser, Nationalrat FDP, ZH

Ich habe viele Fragezeichen und noch keine abgeschlossene Meinung
zum Modell Flat Tax. Mit ihrer Einführung würde man zu einer
Quellensteuer übergehen. Es ist fraglich, ob damit die Privatsphäre und
Bankgeheimnis bewahrt werden könnten.

Rudolf Strahm, Nationalrat SP, BE

Ich halte gar nichts von der Flat Tax. Das ist ein neoliberaler Angrif auf
die Umverteilungswirkung des Staates.

Felix Walker, Nationalrat CVP, SG

Eine Vereinfachung des Steuersystems wäre positiv, sie würde die
Steuermoral heben. Aber eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn
die Leistungsfähigeren einen etwas grösseren finanziellen Beitrag
leisten. Deshalb braucht es im Steuersystem eine Progression.

Serge Gaillard, Chefökonom Schweizerischer Gewerkschaftsbund

Wir haben in der Schweiz ein progressives Steuersystem, und dabei
sollten wir bleiben. Eine Flat Tax ist für uns nicht akzetpierbar.

Robert Walser Chefökonom Economiesuisse

Die Flat Tax ist zweifellos ein interessantes Modell. Es hat aber keinen
Sinn, über Wunschvorstellungen zu diskutieren, die in nächster Zeit noch
gar nicht realisierbar sind.

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