Steuererklärung auf dem Bierdeckel Berner Zeitung, 12.05.2004, von Markus Brotschi

Steuererklärung auf dem Bierdeckel
Berner Zeitung, 12.05.2004, von Markus Brotschi
Ein Ausweg aus dem heutigen Steuerdschungel wäre die Flat Tax. Mit einem Grundabzug oder einer Pauschalgutschrift modifiziert, wäre sie sozial und bestechend einfach, sagen zwei Querdenker.Das heutige Schweizer Steuersystem ist kompliziert, daran ändert das Steuerpaket nichts. Gemeinde-, Staats- und direkte Bundessteuer können optimiert werden durch unterschiedlich hohe Abzüge für Kinder, für Hauseigentum, Spenden, Berufsaus- oder Pensionskasseneinlagen, für Ausbildung usw. Dazu kommen unterschiedliche Steuersätze und Steuerfüsse – die Komplikationenliste liesse sich beliebig verlängern.Als Ausweg aus diesem Dickicht wird von Querdenkern immer wieder der einheitliche Steuersatz, die so genannte Flat Tax, ins Spiel gebracht. Jüngstes Beispiel lieferte der Schweizer Journalist Markus Schneider in seinem «Weissbuch 2004». Links der Mitte sträuben sich bei Flat-Tax-Diskussionen jeweils die Nackenhaare, weil diese Steuerreform nach Neoliberalismus und Rücksichtslosigkeit riecht. Als erster Politiker propagierte sie US-Präsident Ronald Reagan. Szenenapplaus erhält Schneider immerhin vom früheren SP-Präsidenten Peter Bodenmann, der mit seinen Ideen auch «linke Strukturerhalter» ärgert.Aus für Steuerberater

Die Flat Tax hat den bestechenden Vorteil, dass die Steuererklärung auf einer Postkarte oder einem Bierdeckel Platz findet, wie der Solothurner Steuerexperte Michael Leysinger vor einigen Jahren dem damaligen Finanzminister Kaspar Villiger schrieb. Der bald pensionierte Steuerberater hat vor vier Jahren ein Konzept publiziert, das ihn und seine 2500 Berufskollegen arbeitslos machen würde. Leysinger will einen einheitlichen Steuersatz von 15 Prozent einführen. Der soziale Ausgleich würde nicht durch progressive Steuersätze erreicht, sondern über einen Grundabzug. Dieser betrüge für ein Ehepaar mit Kindern 50 000 Franken, für Unverheiratete 20 000 Franken und für allein Erziehende 28 000 Franken. Ähnlich einfach ist auch Leysingers Reform der Unternehmenssteuer. Das neue System würde laut Leysinger genügend Einnahmen generieren, um die heutigen Steuern von natürlichen und juristischen Personen zu ersetzen. Und durch die grosszügigen Abzüge würden sozial Schwache steuerbefreit.

Schneiders Konzept der Flat Tax enthält zum sozialen Ausgleich Steuergutschriften. Die direkte Einkommenssteuer beträgt für Bund, Kanton und Gemeinde zusammen 18 Prozent – für alle, Arme wie Reiche. Als sozialen Ausgleich schlägt Schneider eine Steuergutschrift vor, die ebenfalls in der ganzen Schweiz einheitlich ist: 5000 Franken pro Kind, 5000 Franken für jeden Erwachsenen und 7500 Franken für allein Erziehende. Dieses System habe die positive Folge, dass Working Poor eine Barauszahlung erhielten, der Mittelstand entlastet würde und die Reichen Schlupflöcher verlören, ohne geschröpft zu werden. Die 18-prozentige Flat Tax ergibt laut Schneider 35 Milliarden Einkommenssteuern, gegenüber heute 40 Milliarden. Damit würde etwa eine Steuerentlastung im Umfang des Steuerpakets erzielt, allerdings über tiefere Steuersätze für alle statt über höhere Abzüge für Einzelne. Für Schneider sind Abzüge fragwürdig, weil nur bestimmte Kriterien die Steuerbelastung beeinflussten.

Ungerechtes Steuersystem

Schneider hält das heutige Steuersystem für ungerecht. Die Progression erreiche ihr Hauptziel nur ungenügend: dass die Reichen mehr Steuern bezahlten als die weniger Reichen. Meist liefere der Mittelstand in Prozenten wesentlich mehr Geld an den Staat ab als Wohlhabende. Diese profitierten von zahlreichen Umgehungsmöglichkeiten, etwa dem Umzug in steuergünstige Gemeinden in Kantonen wie Schwyz, Zug oder Nidwalden. Abgesehen von diesen Kantonen beläuft sich die Summe der Kantons-, Gemeinde- und Bundessteuern für Normalverdiener heute auf 15 bis 20 Prozent, für Spitzenverdiener bis auf über 35 Prozent. Zur Steuerentlastung empfiehlt Schneider, eben diese Steuersätze zu reduzieren.

Während das hiesige Politpersonal die Flat Tax für utopisch oder unsozial hält, wurde sie in einigen Ländern eingeführt. Dazu gehören Lettland, Russland, die Slowakei und die Ukraine. Das grösste Hindernis für die Flat Tax in der Schweiz ist der Steuerföderalismus. Schneider empfiehlt deshalb, die Einheitssteuer zuerst an Stelle der direkten Bundessteuer einführen.

Markus Schneider, «Weissbuch 2004», Weltwoche-Verlag, Michael Leysinger, «Eine Flat Tax für die Schweiz!» www.legatax.ch

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